Was würde die Liebe sagen?

#Freitagsbriefe aus dem Archiv – zuerst veröffentlicht am 21.10.21

Maren Martschenko hat mir für den Freitagsbrief eine ungewöhnliche Frage mitgegeben. Seit Anfang Mai begleitet sie mich beim Finden. Wir finden gemeinsam das, womit ich mich zukünftig beschäftigen möchte. Da ich vor 2 Jahren 60 geworden bin, gefällt es mir, in weiten Zeitspannen zu denken. Ich suche mir 90-jährige Rollenmodelle. Wie die Psychotherapeutin und Holocaust Überlebende Edith Eger (sie feierte vorgestern ihren 94. Geburtstag), die mit 90 Jahren ihr erstes Buch veröffentlicht hat. Oder wie Helga Wehye, die bis zu ihrem Tod Anfang des Jahres werktäglich in ihrer Buchhandlung stand. Sie starb mit 98 Jahren.

Meine Großmutter wurde fast 106. So scheint es mir nicht ganz verkehrt, mich auf ein längeres letztes Lebensdrittel einzurichten. Leben und Arbeit kann ich nicht trennen. Das Verriegeln der Tür zum Beruf ab einem bestimmten Alter ist eine Spaltung zwischen Ich und Ich. Was ich gut kann und gern tue, das nährt und ernährt mich. Warum sollte ich aufhören damit?

Im Prozess des Findens, zu dem auch gehört, im Unterholz gar nichts zu sehen, in die falsche Richtung zu laufen, über die eigene Verbohrtheit zu stolpern, und zu verzagen, fiel mir das größte Geschenk meines Lebens vor die Füße. Zunächst war es ein Gedanke. Ich hätte ihn nicht aufheben müssen.

Ich kann allen nur raten: hebt die ungewöhnlichen Gedanken, die plötzlich in euer Leben purzeln, ganz unbedingt auf! Schaut sie an. Beobachtet sie. Wenn sie wiederkehren und ihre verführerische Kraft bleibt, folgt ihnen.

Auf diese Weise wurde bei mir aus dem nicht gesuchten Gedanken: eine Auszeit.

10 Wochen lang so gut wie keine Termine. 10 Wochen lang mein eigener Rhythmus. 10 Wochen lang Zeit, um ein Buch zu schreiben.

Ich schreibe über Freude. Freude als Lebenshaltung. Freude als radikale Kraft. Freude als Geschenk. Freude als Ressource. Freude als Kompass der Lebensgestaltung. Freude als Lebensbegleiterin.

Als mein Sabbatical in der 2. Augustwoche begann, war mir ganz feierlich zumute.

Mittlerweile hat der Herbst seine Farben über den Zaun geworfen. Das Tageslicht geht immer früher nach Hause. Noch 3 Wochen. Bevor es wieder so wird, wie es vor der 2. Augustwoche war.

Nein, das stimmt nicht.  

Natürlich wird es nicht mehr so, wie es vor meiner Auszeit war. Ich habe viel über meine eigenen Prozesse gelernt. Ich habe am eigenen Leib gespürt, wie sich mein ideales Leben anfühlt. Ich bin mir selbst auf der Spur der Freude näher gekommen.

Ich staple Holz. Ich höre, wie Walnüsse auf das Vordach fallen. Ich denke über die Frage nach, die Maren mir für den Freitagsbrief mitgegeben hat. Eine ungewöhnliche Frage im Business Kontext: Was würde die Liebe tun?

Was würde die Liebe tun als Antwort auf meine Befindlichkeiten. Immer, wenn ich mich schwer tue damit, der Welt zu zeigen, was ich im Angebot habe. Immer, wenn ich zweifle.

Als erstes fallen mir ein paar Zeilen aus Erich Frieds Gedicht ein:

Es ist unmöglich

sagt die Erfahrung

Es ist was es ist

sagt die Liebe

Ja, die Erfahrung sagt viel. Vor allem ist es die Erfahrung anderer, die gerne Kommentare zu meinem Weg abgibt. Meine eigene Erfahrung war nämlich noch nie da, wo ich jetzt bin. Und, ehrlich gesagt, die Erfahrung anderer war auch noch nie da, wo ich jetzt bin.

Und wenn diese Erfahrung meint, es sei zu schwierig oder sogar aussichtslos. Die Antwort ist immer wieder. Es ist, was es ist.

Es ist ein Weg voll Vergnügen und Lust und voller Stolpersteinen. Dass ich um die Stolpersteine herumgehe, liegt in meiner Verantwortung. Die Steine werden nur zu solchen, die mich stolpern lassen, wenn ich darüber falle. Und wenn Unglück und Aussichtlosigkeit sich zu den Stolpersteinen gesellen, wer sagt denn, dass ich sie zum Bleiben einladen muss?

Trotz allen Zagens habe ich einen weiteren Auf der Spur der Freude Kurs auf den Weg gebracht. Es ist eine Herbstreise. Tatsächlich haben mir Teilnehmerinnen des Auf der Spur der Freude Sommerabenteuers geschrieben, in welcher Weise sich ihr Leben verändert hat. Das beeindruckt mich sehr. Die Liebe denkt an den freudigen Einfluss, den meine Arbeit in die Welt bringen kann. Also schreibe ich weiter. Also mache ich Werbung für den neuen Kurs. Also erinnere ich mich immer wieder an die Resonanz in der Welt.

Wenn eine Walnuss auf das Vordach fällt, entsteht ein lauter Klang. Wenn ich einen verirrten Grashüpfer aus dem Haus auf die Wiese bringe, entsteht eine bessere Ordnung. Wenn ich sichtbar bin mit dem, was mich bewegt in den unterschiedlichsten Facetten, entsteht ein Feld, mit dem andere in Beziehung gehen können. So funktioniert Leben. Und Arbeit. Zuhören. Sich kümmern. Raum schaffen. Nicht „um zu“.  Sondern weil es ist, wie es ist.

Und was wäre, wenn all die Menschen, denen ich begegnet bin und die mein Leben bereichert haben und bereichern, nicht ihre Stolperseite aus dem Weg geräumt und sich nicht aufgemacht hätten, auf ihre ganz eigenen individuellen Reisen?

Was würde ich dann alles vermissen!

Im Kochbuch von Kate Young lese ich eine Hymne auf den Winter. So weit sind wir noch nicht. Jetzt ist erst einmal die Hymne auf den Herbst angesagt. Der Herbst hat keinen guten Leumund. Zu dunkel. Zu grau. Zu nass. Etc. Etc. Das sind Stolpersteine, die wir uns selbst in den Weg legen. Denn: es ist, wie es ist.

Welche schönen Dinge sind dir im Herbst schon widerfahren?

Aufschreiben! Sich freuen! Und manchmal: jubeln.

Herzliche Grüße

Eva Scheller

Wenn dir der Freitagsbrief ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat, kannst du mich auf einen Kaffee einladen (oder ein Menü, der voreingestellte Betrag von € 3 lässt sich ändern). Wo? Über meine virtuelle Kaffeekasse. Das zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Die Kaffeekasse steht auf der Plattform ko-fi.com. Kofi verschenkt nicht nur einen freundlichen Regen von Herzen und Tassen an die Spendenden. Sondern nimmt keine Gebühren für Spenden. #freundlicheökonomie

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