Anstiftung zur Freude #67

Ich wache früh auf. Draußen ist es noch dunkel. Ich schaue nicht auf die Uhr und versuche herauszufinden, ob ich wieder einschlafen werde. Ein Vogel beginnt zu singen, ganz prächtig melodiös. Es ist keine Nachtigall, aber ich bin zu träge, mit der passenden App zu recherchieren, wer das nun sein könnte.

Meine Gedanken mäandern zu Romeo und Julia und ihrem Dialog gegen Ende der ersten Liebesnacht. Sie behauptet, „es war die Nachtigall und nicht die Lerche“, er behauptet das Gegenteil. Die Gedanken laufen weiter. Ich liege warm und freue mich, wie mein Kopf vor sich hinplätschert. Ein Vogelchor setzt zwitschernd ein.

Die US-amerikanische Dichterin und Schriftstellerin May Sarton stand im Sommer regelmäßig um 4 Uhr auf, um vor dem 11-Uhr-Spaziergang mit ihrem Hund ein paar Stunden Schreiben hinter sich zu bringen.

Der britische Schriftsteller Allan Jenkins hat ein ganz zauberhaftes Buch geschrieben – „Mornings. How to Make Time“ – über sein Experiment, ein Jahr lang um 4 Uhr aufzustehen.

In der Theorie ist der sehr frühe Morgen meine Lieblingstageszeit. In der Praxis rechne ich mir vor, dass ich 8 Stunden Schlaf brauche und keinesfalls um 20 Uhr ins Bett gehen möchte. Aber manchmal, wenn der Schlaf wie an jenem Morgen schon lange vor meiner Aufstehzeit findet, seine Arbeit hinreichend getan zu haben, gehe ich am frühen Morgen in die Welt, und finde sie köstlich unberührt. Vor allem ist sie leise. Die Vögel stören die Stille nicht, solange alle anderen schlafen.

Der Morgen macht mich glücklich, obwohl ich ihm eher unfreiwillig begegne.

Das ist meine Anstiftung heute: Finde deine liebste Tageszeit. Was gefällt dir daran besonders? Welche Farben, welches Licht herrscht vor? Wie fühlst du dich, wenn du in den besonderen Momenten deiner Lieblingstageszeit lebst?