Liebe Klientin, lieber Klient,
Sie sind an einer therapeutischen Zusammenarbeit mit mir interessiert. Darüber freue ich mich und ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.
Für Ihre Entscheidung, ob ich in Ihrem Sinne die Richtige für Ihren Heilungsweg bin, skizziere ich hier mein Verständnis von Belastung und Heilung, und gebe Ihnen ein paar Anregungen, wie Sie sich selbst unterstützen können.
1. Psychische Belastungen werden meist als ein außer Balance geratenes energetisches Problem beschrieben. Entweder fehlt Energie und Sie fühlen sich müde, erschöpft, kraftlos. Oder es ist ein zu viel an Energie vorhanden, was sich in Rastlosigkeit, Unruhe, Schlafmangel äußern kann. Manchmal erfahren Sie beide Zustände. Tatsächlich sind wir eine hoch komplexe, energetische Körper, Geist, Seele Einheit. Ein Ungleichgewicht auf einer Ebene kann das ganze System beeinträchtigen. Meist spielt eine Reihe von Aspekten eine Rolle, warum Sie sich so (schlecht) fühlen, wie Sie sich fühlen.
Das Ziel auf dem Heilungsweg: die Balance wieder herzustellen. Balance ist wie Schwerkraft ein Naturgesetz, dem wir unterworfen sind. Es regiert unser Leben. Stellen Sie sich also vor, Sie hätten ein inneres Metronom. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass nach den Ausschlägen das Metronom in der Mitte zur Ruhe kommt, bevor es seine Arbeit wieder aufnimmt.
Einen einzigen Grund für Dis-Balance, auf den wir diagnostisch den Finger legen könnten, gibt es nach meiner Erfahrung nicht. Meist kommen viele Ursachen zusammen, bevor Sie sich so schlecht fühlen, dass Sie Hilfe in Anspruch nehmen. Auf einer sehr tiefen Ebene, die wir mit unserem kognitiven Verstand nicht begreifen, macht die Art der Dis-Balance, die bei Ihnen auftritt, Sinn. Sie ist nichts weniger als der Versuch Ihres Systems, die Balance wieder herzustellen. Denn es liegt in unserer DNS, dass der Körper nach der sogenannten Homöostase, dem Ausgleich, strebt. Gehen Sie also davon aus, dass Ihr „inneres Heilungsministerium“ alles tut, Sie zu heilen.
Wahrscheinlich sind die angebotenen Lösungsmuster nicht besonders hilfreich, da sie in der Regel in der Kindheit entwickelt wurden. Damals waren sie das Bestmögliche unter den gegebenen Umständen. Wertschätzen Sie also Ihren Körper und Ihren Geist, statt sich selbst bzw. Ihren Körper, Ihren Geist oder Ihre Seele als fehlerhafte Einheit oder gar als Feind/Feindin zu sehen. Und: hören Sie auf, darüber zu grübeln, WARUM Sie das erfahren, was Sie gerade an Belastung erfahren. Denn: je weniger Druck Sie auf sich ausüben, desto mehr Kraft haben Sie, sich dem Wesentlichen zuzuwenden. Und das Wesentliche ist nicht das Warum oder die Geschichte, die Sie mit Ihrer Identität verbinden, sondern die Heilung. Dafür brauchen Sie Ihre Energie.
2. Traumata sind Ereignisse, die wir mit den zur Zeit der Erfahrung verfügbaren Mitteln nicht bewältigen können. Sie überwältigen unser Nervensystem und damit unsere psychische Stabilität. Erwachsene Überlebende von sogenannten Monotraumen (Unfälle, Naturkatastrophen, Erfahrungen körperlicher Gewalt) beschreiben ihr Erleben oft mit der Empfindung, aus allen Zusammenhängen herausgeschleudert worden zu sein. Ihr Leben wurde auf den Kopf gestellt oder in der bislang gelebten Weise tatsächlich zerstört.
So, wie Erwachsene überwältigt werden, können auch Kinder überwältigt werden von der Art und Weise, wie ihre Eltern oder andere Personen mit ihnen interagieren. Für Erwachsene mag das Geschehen eine Kleinigkeit sein. Doch schauen Sie sich einmal die Zerbrechlichkeit und tatsächlich auch körperliche „Winzigkeit“ von Kindern im Vergleich mit Erwachsenen an. Natürlich gelten hier andere Maßstäbe! Einerseits betrifft das die Schwelle, ab der Erlebnisse als bedrohlich empfunden werden, andererseits die Nachhaltigkeit des Eindrucks, den schwierige Erlebnisse bei Kindern hinterlassen.
Wenn Kinder in einer Umgebung aufwachsen, in der ihre altersgemäßen Bedürfnisse nicht in altersangemessener Weise beantwortet und erfüllt werden, sind sie einer regelmäßigen Überforderung und ständigen Überwältigungserfahrungen ausgesetzt.
Das wird ein chronifiziertes Entwicklungstrauma genannt. Es geht hierbei auch, jedoch nicht nur, ja, nicht einmal in erster Linie, um körperliche Misshandlungen oder sexuellen Missbrauch. Es geht um die Frage, ob die Eltern/die erziehenden Personen in der Lage waren, die altersgemäßen Bedürfnisse der Kinder in angemessener Weise zu befriedigen. Auch in einem gut strukturierten Haushalt, in dem ausreichend für Essen, Schlaf, Kleidung u.ä. gesorgt wird, kann trotzdem die emotionale Interaktion mit dem Kind gestört sein. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Eltern selbst belastet sind und die Elternrolle, abgesehen von den Grundversorgungen, nicht ausfüllen.
Das menschliche Gehirn ist bei der Geburt nur rudimentär (Stammhirnstruktur) vorhanden und erst mit dem 18. bis 20. Lebensjahr ausgereift.
Eine altersangemessene Interaktion zwischen Eltern und Kindern gehört zu den unabdingbaren Voraussetzungen für die vollkommene Reifung des Gehirns. Nur so werden in vollem Umfang die neuronalen Strukturen entwickelt, die Menschen nicht nur erwachsen, sondern auch reife Persönlichkeiten sein lassen. Können die Gehirnstrukturen aufgrund der Umweltbedingungen nicht altersgemäß entwickelt und verdrahtet werden, weil z.B. das Kind die Eltern nicht als sicher, zuverlässig und beschützend erfährt, liegt oft eine sogenannte Bindungsstörung vor. Die Menschen, die daran leiden, fühlen sich isoliert, nicht verbunden, allein im Leben, sind voller Ängste Selbst-Unsicherheiten und Zweifeln. Regelmäßig führt die unreife Neurologie zu einem automatisierten reaktiven Verhalten, das immer wieder außer Verhältnis zum eigentlichen Anlass steht.
Die gute Nachricht ist: das Gehirn lässt sich nachreifen. Aufgrund seiner hohen Neuroplastizität ist das können wir unser Gehirn formen und verändern bis zum letzten Atemzug!
Unser Gehirn hört nie auf, zu lernen! Ist das nicht wunderbar?
In der therapeutischen Arbeit erlernen Sie Methoden, die die Nachreifung des Gehirns fördern, im Laufe der Zeit werden sich Gefühle von Getrenntsein, Unverbundenheit, Bedrohung verändern.
Was zeichnet nun reifes erwachsenes Sein in der Welt aus?
Dazu gehört: sich zugehörig und verbunden fühlen; die Welt als grundsätzlich guten, sicheren Ort betrachten; wissen, dass Dingen schief gehen, aber mit eigener Kraft und Unterstützung von anderen wieder in Ordnung gebracht werden können. Kurz: mitten im Leben stehen, umgehen mit dem, was kommt, die Fähigkeit haben, sich auch von schweren Einbrüchen wieder zu erholen.
Zum reifen Erwachsensein gehört des Weiteren, sich selbst zu reflektieren sowie Mitgefühl mit sich selbst und anderen empfinden zu können.
Wir Menschen sind soziale Wesen, einander zugewendet, wohlgesonnen, hilfsbereit und im Grunde tatsächlich gut.
Vielleicht sagen Sie jetzt, das ist aber eine hohe Messlatte. Und ich antworte, nein, eigentlich nicht, denn das sind wir als Spezies. So sind wir gemeint. (Lesen Sie das Buch des Gehirnforschers Gerald Hüther – Gebrauchsanleitung für ein menschliches Gehirn zu diesem Thema).
Den Heilungsweg zu gehen bedeutet letzten Endes, die Trümmer unserer unverarbeiteten Belastungen aus dem Weg zu räumen, um unser volles Potential zu entfalten. Unsere Träume zu leben. Wenn wir uns selbst heilen, hat dies unmittelbare Auswirkungen auch auf die uns nahestehenden Menschen. Letztlich auf alle unsere Interaktionen. Mithin auf den Zustand der Welt.
3. Auch wenn Ihr Verstand sagt, natürlich möchte ich, dass es mir besser geht! Natürlich möchte ich rundherum gesund sein und mich mit Freude im Leben tummeln! – auf einer tiefer liegenden Ebene sind bei den meisten Menschen Ängste vor dem Heilungsprozess und der therapeutischen Arbeit vorhanden. Wir sind ja nicht eine homogene Persönlichkeit ohne Widersprüche, sondern bestehen aus vielen jüngeren Anteilen, die andere Sehnsüchte, Ängste und Bedürfnisse haben, als das erwachsene Selbst.
Die Fragen, die im Kontext Angst vor Heilung/Angst vor Veränderung eine Rolle spielen können, finden Sie nachstehend. Die Fragen sind möglicherweise unangenehm. Dennoch sind sie entscheidend für den Heilungsprozess:
– Wer bin ich, wenn ich ganz gesund bin? Was wird sich dann verändern, wenn alles (wirklich ALLES), was mit Krankheit zu tun hat, wegfällt? Fürchte ich mich vor Veränderungen, weil sie ins Unbekannte führen? Fürchte ich mich vor dem Unbekannten, weil ich dann keine Kontrolle mehr habe?
– Bin ich wirklich mit meinem ganzen Wesen bereit, die Verantwortung für meinen Heilungsprozess und mein Leben zu übernehmen? Bin ich mir darüber im Klaren, dass Krankheit auch beinhaltet, nicht im Leben zu stehen und für Entscheidungen, die aufgeschoben werden, eine Ausrede zu haben?
– Habe ich einen Nutzen von der Krankheit? (Das wird sekundärer Krankheitsgewinn genannt). Mit anderen Worten: was bringt mir die Krankheit an Vorteilen?
– Glaubt ein Teil von mir, dass mein Gesundsein und meine Fähigkeit, das Leben zu meistern bedeutet, die Täter, die an mir schuldig geworden sind, vom Haken zu lassen bzw. zu entschuldigen? (Das ist tatsächlich ein weit verbreitetes Phänomen – nicht heilen zu wollen, um ein lebendes Mahnmal zu bleiben für das erlittene Leid).
Und was können (sollten) Sie im Alltag tun für Ihre Heilung?
4. Untersuchen Sie, wie Sie mit sich umgehen. Wie hört sich Ihr innere Dialog an? Ist die Stimme in Ihrem Kopf eher freundlich oder unfreundlich, unterstützend oder abwertend? Beginnen Sie, den Umgang mit sich selbst zu verändern in einer Weise, dass Sie ein guter Freund, eine gute Freundin für sich werden.
5. Lernen Sie, sich selbst zu beobachten und sich nicht ganz so ernst zu nehmen. Begreifen Sie Ihre Gedanken als Angebote, nicht als letzte Wahrheiten, getreu dem Motto: Glaub nicht alles, was du denkst. Erkunden Sie Ihre Gefühle und lernen Sie, Ihre Gefühle differenziert zu benennen.
6. Wie ist die Beziehung zu ihrer Herkunftsfamilie? Tragen Sie alten Groll oder Vorwürfe mit sich herum? Sind Sie noch solidarisch mit einem System, das Sie nicht unterstützt? Vielleicht toxisch für Sie ist? Solange wir in unserer Vergangenheit mit negativen Ankern hängen, verlieren wir Energie, die im Heilungsprozess nicht zu Verfügung steht. Werden Sie also wach für Ihre Verstrickungen. Beginnen Sie, Vorwürfe und Groll durch Dankbarkeit zu ersetzen. Üben Sie, sich an den kleinen Dingen im Leben zu erfreuen.
7. Wie gehen Sie mit den Menschen um, die Ihnen am nächsten sind? Und wie gehen diese Menschen mit Ihnen um? Sind Sie zufrieden damit? Oder sind Sie öfter genervt? Möchten Sie die Art, wie Sie miteinander reden, ändern? Überlegen Sie, wie Sie es am liebsten hätten und was nicht so gut läuft. Machen Sie zuerst eine Bestandsaufnahme und dann denken Sie darüber nach, was Sie zu einer Änderung der Situation beitragen könnten. Denn: wir können nur unser eigenes Verhalten ändern und nicht das Verhalten der anderen.
8. Wie ist die Beziehung zu Ihrem Körper? Bewegen Sie sich regelmäßig? Machen Sie Sport? Tanzen Sie? Singen Sie? Schlafen Sie genug? Was essen Sie? Wie ist Ihr Zucker-, Alkohol-, Zigarettenkonsum? Bewegung, gute Ernährung, ausreichender Schlaf helfen Ihnen, Ihre innere Balance wieder herzustellen.
9. Sind Sie kreativ? Nähen Sie? Stricken oder basteln Sie? Malen Sie? Schreiben Sie? Spielen Sie ein Instrument? Gehen Sie in Konzerte oder Ausstellungen? Nähren Sie die Kreativität in Ihrem Leben! Auch das hilft Ihrem inneren Metronom.
10. Haben Sie eine spirituelle Praxis? Diese Frage finden Sie vielleicht seltsam. Ich frage Sie das, weil ich glaube, dass zur menschlichen Grundausstattung ein Sensor gehört, der uns nach dem suchen lässt, was über unsere eigene Existenz hinausgeht, das größer ist, als wir selbst es sind. Wir erkennen damit auch an, nicht alles in eigener Regie lösen zu können. Dass wir Unterstützung und Hilfe brauchen jenseits der Machbarkeit. Jedenfalls: überlegen Sie, ob und wie Sie das Bedürfnis einer spirituellen Zugehörigkeit nähren. Wenn Sie sowieso beten, engagieren Sie Ihr Gebet für Ihre Heilung.
11. Schreiben Sie alle Ihre Erkenntnisse aus den vorstehenden Fragen auf, führen Sie Tagebuch.
12. Suchen Sie Menschen, die Sie auf Ihrem Weg unterstützen. Fangen Sie mit dem ersten Schritt an. Im Internet finden Sie zahlreiche Anregungen für Körper, Geist, Seele. Sie können auch ganz altmodisch ein Buch lesen und sich davon inspirieren lassen. Z.B. (eine sehr kleine Auswahl):
- Luise Reddemann – Eine Reise von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt
- Louise Hay – Gesundheit für Körper und Seele
- Geneen Roth – Essen ist nicht das Problem
- Gabrielle Bernstein – Das Universum steht hinter dir
- Jan Chozen Bays – Achtsam durch den Tag
- Pema Chödren – Geh an die Orte, die du fürchtest
- Rick Hanson – Das Gehirn eines Buddha
- Marshall B. Rosenberg – Gewaltfreie Kommunikation
- Daniel. J. Siegel – Mindsight: Die neue Wissenschaft der persönlichen Transformation
- Andreas Krüger – Powerbook: Erste Hilfe für die Seele
- Julia Cameron – Der Weg des Künstlers
Zu guter Letzt: Geben Sie Ihrem Heilungsweg die allerhöchste Priorität.
Ich wünsche Ihnen viel Freude auf Ihrem Weg.
Herzliche Grüße
Eva Scheller