Die heilende Aufgabe, Buttermilchbrötchen und das große Los.
Ich pendle gerade zwischen zwei Reiseberichten und zwei Kochbüchern. Hat alles mit unterwegs zu tun. Allerdings mehr mit einem inneren Unterwegs als mit einem äußeren. Obwohl mich die jeweiligen Lektüren auch etwas sehnsüchtig machen nach der Ferne. Bei den Kochbüchern helfe ich mir mit nachkochen. Tatsächlich rufe ich letzten Samstag einen Back- und Kochtag aus. Und stehe so lange in der Küche, bis mir die Beine weh tun. Auch noch nie vorgekommen.
Die Journalistin Meike Winnemuth hat einmal ein ganzes Jahr lang dasselbe Kleid getragen und jeden Tag etwas aus ihrem Haushalt aussortiert. 365 Gegenstände, die sie verließen. Ein einziger Gegenstand, den sie täglich am Leib trug. Eine Übung in Minimalismus und Reduktion.
Mich faszinieren solche Projekte.
Gleichzeitig werde ich defensiv, wenn ich darüber nachdenke. Dass ich es eh nicht schaffe, weil mir die Konsequenz fehlt. Würde ich es hinkriegen, für ein ganzes Jahr lang täglich etwas zum Thema Freude zu posten? Würde das überhaupt jemanden interessieren? Hat Frau Winnemuth das 1-Jahr-1-Kleid Thema für sich gemacht oder schon von vorneherein mit dem Ziel, ein Buch darüber zu schreiben, das möglichst viele Menschen lesen?
Während ich Buttermilch Brötchen backe, Zwiebeln und Möhren schneide, nach den Resten des getrockneten Lavendels fahnde, den ich von einer Freundin tatsächlich sackweise aus ihrer üppigen Ernte erhielt, läuft auf dem Laptop die Serie „The Dinner Club“.
Ich wollte einen Kochfilm sehen bei meinem Tagesexperiment und entschied mich für eine OmU Serie. Die Untertitel helfen mir nicht viel, das Original ist italienisch und meist gucke ich nicht hin. Dafür versuche ich, ein Wort zu erkennen. Manchmal gelingt mir das. Gefühlt spricht jede Deutsche aus meiner Generation 5 – 10 Worte italienisch, die sie als Kind an der Adria gelernt hat. Ich habe letztens bei einem Schulfreund und seiner italienischen Frau das Wort „vai“ aufgeschnappt, das ich mir mit „komm/mach mal“ übersetze. Das purzelt manchmal zwischen die Möhrenscheiben.
Komm, mach mal. Das denke ich in letzter Zeit öfter. Im Sinne von „finde einen richtigen Plan/einen richtigen Weg / ein ENDergebnis“. Ich habe zwar einige Pläne und laufe einige Wege, aber wer hat jemals von richtig gesprochen? Und was wäre nun ein Ergebnis für mich?
Micheal Meade erzählt in seinem aktuellen Podcast die Geschichte von Chiron, dem griechischen Heiler. Chiron, halb Pferd, halb Mann, halb Mensch, halb Gott, lebt in einem Reich des sowohl als auch. Nirgends gehört er ganz dazu. Er vereint Gegensätze und ist gleichzeitig zerrissen von ihnen. Als ihn ein vergifteter Pfeil verwundet, zieht er sich in eine tiefe Höhle zurück, um schließlich die Welt zu durchwandern, auf der Suche nach einer Kur für seinen Schmerz. Eine Medizin für sich selbst findet er nicht, entdeckt jedoch mächtige Heilmittel für viele andere Menschen.
Meade schreibt im Essay zu dem Podcast, wenn Chiron der Archetyp der Heiler*innen ist, wäre es dann nicht unsere Aufgabe, uns bewusster zu werden über die unheilbaren Anteile in uns? Und gleichzeitig Klarheit darüber zu gewinnen, dass wir alle Heilung in die Welt bringen können, unabhängig davon, wie tief die Wunden sind, die wir selbst tragen?
„Wir mögen unsere eigenen Ideen davon gehabt haben, was sich ereignen würde und unsere eigenen Erwartungen an das, was geschehen sollte. Doch das alles muss abgelegt werden entlang des Weges, wenn eine wirkliche Transformation sattfinden soll. Genau wie all jene, die augenblicklich unter den jüngsten Tragödien des Krieges leiden, und all jene, die durch die Umwälzungen der Klimakrise entwurzelt werden, müssen wir akzeptieren, dass die Landkarten, die wir über das Leben erhalten haben, nicht länger zu den Territorien passen, in denen wir uns befinden.“ Micheal Meade
Ich lese das und werde ganz ruhig und denke: ja. Genau so. Landkarten passen nicht mehr.
Ich stelle mir vor, Chiron hat in seiner Höhle versucht, herauszufinden, was er nun mit der Landkarte machen soll, in der seine Wunde nicht vorgesehen war. Ich stelle mir weiter vor, er hat sie ins Feuer geworfen und zugesehen, wie die bekannten Gefilde von Flammen verzehrt werden.
Während ich beim Kochen italienische Dialoge höre, die ich nicht verstehe, erinnere ich mich, einmal gelesen zu haben, dass die Niederländer deshalb so gut Fremdsprachen sprechen, weil ausländische Filme bei ihnen nicht synchronisiert werden. Ich frage mich, ob Flüchtlinge mittels Fernsehen die Sprache ihres vorübergehenden Gastlandes oder endgültigen Heimatlandes lernen können und was ich täte, wenn ich in der Ferne verloren und der Sprache nicht mächtig wäre.
Ich habe keine Antworten. Nur viele Fragen. Und einen Unwillen, darüber nachzudenken oder mich an Rezepte zu halten, was ich alles tun müsste für mein kleines Unternehmen. Nix scheint zu passen. Und ist es denn ein Wunder?
Es gibt Höhlenzeiten. Und es gibt Zeiten für Aufbruch und Aktion. Für mich ist seit ein paar Wochen schon Höhlenzeit. Ich glaube, das könnte uns allen gut anstehen, sich zurückzuziehen und zu orientieren in dieser landkartenlosen Zeit. Und sei es nur für ein paar Minuten am Tag. Vielleicht wäre dann der öffentliche Diskurs weniger aufgeregt und die Angst und Sorge etwas kleiner. Vielleicht würden wir dann eher lernen, uns ohne Landkarten zurechtzufinden.
Wer sich inspirieren lassen möchte für die landkartenlose Zeit, lese Meike Winnemuths „Das große Los“ Buch „Das große Los“. Sie hat nämlich nicht nur 365 Tage ein und dasselbe Kleid getragen, sondern auch bei Günther Jauch eine halbe Million gewonnen. Das nahm sie zum Anlass, relativ kurzfristig einen Koffer zu packen, um zwölf Monate lang über den Globus verstreut in zwölf verschiedenen Städten zu leben. Es ist ein relativ landkarten- und manchmal auch sprachloses Leben (Shanghai!), das sie führt. Zwei Dinge haben mich am meisten beeindruckt. Ihre Feststellung, dass sie das Geld von Jauch gar nicht gebraucht hätte, um so zu leben, wie sie es sich schon lange gewünscht hatte, dass sie allerdings ohne den Gewinn wahrscheinlich nie losgefahren wäre. Und ihre Lust am Verlorengehen.
Seitdem ich von dem Buch erzähle, bin ich schon drei Menschen begegnet, die es zum Anlass nahmen, ihr Leben zu ändern.
Am Donnerstag, dem 21. April um 18.30 Uhr öffnet der Palast der Freude zum 5. Mal seine Pforten. Falls du noch nicht anmeldet bist, hier bekommst du deinen kostenlosen Palastschlüssel.
Und wöchentlich zur Freude anstiften lassen kannst du dich hier.
Die heilende Aufgabe, Buttermilchbrötchen und das große Los.
Ich pendle gerade zwischen zwei Reiseberichten und zwei Kochbüchern. Hat alles mit unterwegs zu tun. Allerdings mehr mit einem inneren Unterwegs als mit einem äußeren. Obwohl mich die jeweiligen Lektüren auch etwas sehnsüchtig machen nach der Ferne. Bei den Kochbüchern helfe ich mir mit nachkochen. Tatsächlich rufe ich letzten Samstag einen Back- und Kochtag aus. Und stehe so lange in der Küche, bis mir die Beine weh tun. Auch noch nie vorgekommen.
Die Journalistin Meike Winnemuth hat einmal ein ganzes Jahr lang dasselbe Kleid getragen und jeden Tag etwas aus ihrem Haushalt aussortiert. 365 Gegenstände, die sie verließen. Ein einziger Gegenstand, den sie täglich am Leib trug. Eine Übung in Minimalismus und Reduktion.
Mich faszinieren solche Projekte.
Gleichzeitig werde ich defensiv, wenn ich darüber nachdenke. Dass ich es eh nicht schaffe, weil mir die Konsequenz fehlt. Würde ich es hinkriegen, für ein ganzes Jahr lang täglich etwas zum Thema Freude zu posten? Würde das überhaupt jemanden interessieren? Hat Frau Winnemuth das 1-Jahr-1-Kleid Thema für sich gemacht oder schon von vorneherein mit dem Ziel, ein Buch darüber zu schreiben, das möglichst viele Menschen lesen?
Während ich Buttermilch Brötchen backe, Zwiebeln und Möhren schneide, nach den Resten des getrockneten Lavendels fahnde, den ich von einer Freundin tatsächlich sackweise aus ihrer üppigen Ernte erhielt, läuft auf dem Laptop die Serie „The Dinner Club“.
Ich wollte einen Kochfilm sehen bei meinem Tagesexperiment und entschied mich für eine OmU Serie. Die Untertitel helfen mir nicht viel, das Original ist italienisch und meist gucke ich nicht hin. Dafür versuche ich, ein Wort zu erkennen. Manchmal gelingt mir das. Gefühlt spricht jede Deutsche aus meiner Generation 5 – 10 Worte italienisch, die sie als Kind an der Adria gelernt hat. Ich habe letztens bei einem Schulfreund und seiner italienischen Frau das Wort „vai“ aufgeschnappt, das ich mir mit „komm/mach mal“ übersetze. Das purzelt manchmal zwischen die Möhrenscheiben.
Komm, mach mal. Das denke ich in letzter Zeit öfter. Im Sinne von „finde einen richtigen Plan/einen richtigen Weg / ein ENDergebnis“. Ich habe zwar einige Pläne und laufe einige Wege, aber wer hat jemals von richtig gesprochen? Und was wäre nun ein Ergebnis für mich?
Micheal Meade erzählt in seinem aktuellen Podcast die Geschichte von Chiron, dem griechischen Heiler. Chiron, halb Pferd, halb Mann, halb Mensch, halb Gott, lebt in einem Reich des sowohl als auch. Nirgends gehört er ganz dazu. Er vereint Gegensätze und ist gleichzeitig zerrissen von ihnen. Als ihn ein vergifteter Pfeil verwundet, zieht er sich in eine tiefe Höhle zurück, um schließlich die Welt zu durchwandern, auf der Suche nach einer Kur für seinen Schmerz. Eine Medizin für sich selbst findet er nicht, entdeckt jedoch mächtige Heilmittel für viele andere Menschen.
Meade schreibt im Essay zu dem Podcast, wenn Chiron der Archetyp der Heiler*innen ist, wäre es dann nicht unsere Aufgabe, uns bewusster zu werden über die unheilbaren Anteile in uns? Und gleichzeitig Klarheit darüber zu gewinnen, dass wir alle Heilung in die Welt bringen können, unabhängig davon, wie tief die Wunden sind, die wir selbst tragen?
„Wir mögen unsere eigenen Ideen davon gehabt haben, was sich ereignen würde
und unsere eigenen Erwartungen an das, was geschehen sollte.
Doch das alles muss abgelegt werden entlang des Weges, wenn eine wirkliche Transformation
sattfinden soll. Genau wie all jene, die augenblicklich unter den jüngsten Tragödien des Krieges leiden,
und all jene, die durch die Umwälzungen der Klimakrise entwurzelt werden,
müssen wir akzeptieren, dass die Landkarten, die wir über das Leben erhalten haben,
nicht länger zu den Territorien passen, in denen wir uns befinden.“
Micheal Meade
Ich lese das und werde ganz ruhig und denke: ja. Genau so. Landkarten passen nicht mehr.
Ich stelle mir vor, Chiron hat in seiner Höhle versucht, herauszufinden, was er nun mit der Landkarte machen soll, in der seine Wunde nicht vorgesehen war. Ich stelle mir weiter vor, er hat sie ins Feuer geworfen und zugesehen, wie die bekannten Gefilde von Flammen verzehrt werden.
Während ich beim Kochen italienische Dialoge höre, die ich nicht verstehe, erinnere ich mich, einmal gelesen zu haben, dass die Niederländer deshalb so gut Fremdsprachen sprechen, weil ausländische Filme bei ihnen nicht synchronisiert werden. Ich frage mich, ob Flüchtlinge mittels Fernsehen die Sprache ihres vorübergehenden Gastlandes oder endgültigen Heimatlandes lernen können und was ich täte, wenn ich in der Ferne verloren und der Sprache nicht mächtig wäre.
Ich habe keine Antworten. Nur viele Fragen. Und einen Unwillen, darüber nachzudenken oder mich an Rezepte zu halten, was ich alles tun müsste für mein kleines Unternehmen. Nix scheint zu passen. Und ist es denn ein Wunder?
Es gibt Höhlenzeiten. Und es gibt Zeiten für Aufbruch und Aktion. Für mich ist seit ein paar Wochen schon Höhlenzeit. Ich glaube, das könnte uns allen gut anstehen, sich zurückzuziehen und zu orientieren in dieser landkartenlosen Zeit. Und sei es nur für ein paar Minuten am Tag. Vielleicht wäre dann der öffentliche Diskurs weniger aufgeregt und die Angst und Sorge etwas kleiner. Vielleicht würden wir dann eher lernen, uns ohne Landkarten zurechtzufinden.
Wer sich inspirieren lassen möchte für die landkartenlose Zeit, lese Meike Winnemuths „Das große Los“ Buch „Das große Los“. Sie hat nämlich nicht nur 365 Tage ein und dasselbe Kleid getragen, sondern auch bei Günther Jauch eine halbe Million gewonnen. Das nahm sie zum Anlass, relativ kurzfristig einen Koffer zu packen, um zwölf Monate lang über den Globus verstreut in zwölf verschiedenen Städten zu leben. Es ist ein relativ landkarten- und manchmal auch sprachloses Leben (Shanghai!), das sie führt. Zwei Dinge haben mich am meisten beeindruckt. Ihre Feststellung, dass sie das Geld von Jauch gar nicht gebraucht hätte, um so zu leben, wie sie es sich schon lange gewünscht hatte, dass sie allerdings ohne den Gewinn wahrscheinlich nie losgefahren wäre. Und ihre Lust am Verlorengehen.
Seitdem ich von dem Buch erzähle, bin ich schon drei Menschen begegnet, die es zum Anlass nahmen, ihr Leben zu ändern.
Am Donnerstag, dem 21. April um 18.30 Uhr öffnet der Palast der Freude zum 5. Mal seine Pforten. Falls du noch nicht anmeldet bist, hier bekommst du deinen kostenlosen Palastschlüssel.
Und wöchentlich zur Freude anstiften lassen kannst du dich hier.
Herzliche Grüße
Eva Scheller