Geschenke geben

Anstiftung zur Freude #124 – Ich sitze in der S-Bahn. Der erste Abschnitt einer längeren Reise. Von weitem sehe ich einen Menschen, der offenbar auf der Straße lebt. Er bittet die Mitreisenden um Geld.

Ich schaue in mein Portemonnaie. Kaum Kleingeld. Im Fach für die Scheine ein Fünfziger und ein Zwanziger. Bisschen viel, denke ich. Aber soll ich ihm 70 Cent geben?

Ich höre, wie er sagt: „Ich möchte mir einen Kaffee kaufen.“ Auf seiner linken Wange sehe ich eine abheilende Wunde. Der Mann ist zierlich, sehr dünn und schon lange nicht mehr jung.

Gerade rechtzeitig entdecke ich einen Zehner, den ich übersehen hatte. Der Schein wandert von meinem Geldbeutel in einen kleinen Pappbecher.

Ich erinnere mich genau an die Szene, doch ist es nicht einfach zu beschreiben, was die Gabe in dem Mann ausgelöst hat.

„So viel Geld!“ Er schaut mich an. Ich schaue ihn an.

Er lächelt mich an. Ich lächle ihn an.

Er lächelt weiter. „Ich steige gleich wieder aus,“ sagt er. Seine Freude ist ansteckend. Weitere Reisende beginnen zu lächeln.

Ich wünsche ihm guten Appetit.

Bevor er geht, berührt er mich scheu am Arm.

Meine Lehre aus der Begegnung: Geld kann Würde verleihen. Würde ist Respekt und Ermächtigung.

Der Mensch, der auf der Straße lebt, muss nicht Stunden damit verbringen, Geld fürs Frühstück zu sammeln. Er kann in die nächste Bäckerei gehen und etwas aussuchen, ohne viel rechnen zu müssen, was er für seine Münzen bekommen könnte.

Mit Ermächtigung ändert sich das Körpergefühl; plötzlich besteht es nicht mehr nur aus Scham, Kleinheit, Mangel, Bedürftigkeit.

Durch Ermächtigung können wir am eigenen Leib spüren, dass wir gesehen, gehört, respektiert werden, dass wir dazugehören, dass wir Teil der Menschheitsfamilie sind.

Für mich ist es eine menschliche Verpflichtung, einander Würde, Respekt und Möglichkeiten zur Ermächtigung zu verschaffen.

Große Freude, für alle Beteiligten!

Das ist meine Anstiftung heute: Finde immer wieder Gelegenheit, anderen Würde, Respekt, Ermächtigung zu verschaffen. Das geht ganz ohne Geld im täglichen Kontakt. Wer wird oft übersehen? Wem könnte ein Lächeln auf die Sprünge helfen oder ein freundliches Wort? Wem könnte ich in Gedanken gute Wünsche schicken?

Schreib in den Kommentar, was du gefunden hast.

PS: Wenn dich meine Anstiftung zur Freude inspiriert oder dir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat, und du etwas zurückgeben möchtest: lade mich auf einen Kaffee ein über meine virtuelle Kaffeekasse hier. Danke! #freundlicheökonomie

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