Anstiftung zur Freude #98        

Ich spreche, fast hätte ich geschrieben „wahllos“, fremde Menschen an. Wenn ich dies tue, folge ich einem inneren Impuls, irgendeine Instanz in mir trifft offensichtlich eine Wahl, und dann rede ich drauf los.

Ich frage die alte Frau vor dem Tierfutterregal nach dem Fressverhalten ihrer Katze. Im Schuhladen bewundere ich die Schuhe, mit denen die andere Kundin gekommen ist. Im Zug interviewe ich die Frau, die mit einem Einkaufswagen, auch Hackenporsche genannt, statt eines Koffers verreist. Vor dem Dom frage ich zwei Rentnerinnen, die einen Tagesauflug unternehmen, woher sie kommen und fotografiere sie dann ausgiebig mit ihrem Reisebus.

Auf diese Weise komme ich ins Gespräch und lerne viel über andere Katzen, Vorteile von Einkaufswagen und dass aus Schweden die vernünftigsten Rollatoren kommen. Ich lerne, dass ich nicht allein bin mit meiner Abneigung gegen weiße Sneakersohlen und dass eine alte Ritsch-Ratsch-Kamera behalten wird, einfach weil sie noch gut ist und manchmal gemeinsam mit einer neuen Digitalkamera mit auf die Reise darf. 

Am Ende bedanke ich mich und die Menschen, die sich mit mir unterhalten haben, bedanken sich ebenfalls. Wir freuen uns, manchmal sind wir geradezu begeistert voneinander.

Ich gehe heiterer meiner Wege und merke, dass mein Herz ganz offen ist. Manchmal, wenn ich mürrischen, abweisenden oder ungerechten Menschen begegne, erinnere ich mich daran, dass auch sie in dem einen und anderen Moment sich freundlich gestimmt unterhalten und wenn sie erst einmal ins Sprechen kommen, langsam auftauen.

Der Schriftsteller Ray Bradbury schreibt in seinem Essay „How to Keep and Feed a Muse”, dass auch der langweiligste und schwerfälligste Mensch, wenn wir ihm oder ihr Raum geben, anfängt, „in Versen zu sprechen“, also zur Dichter*in des eigenen Lebens wird.

In dieser Weise schreiben wir miteinander ein großes Epos nicht nur über unser Leben, sondern über die ganze Welt.

Das ist meine Anstiftung für diese Woche: Finde Möglichkeiten, fremde Menschen anzusprechen und mit ihnen eine kleine Unterhaltung zu führen. Lass sie mehr sprechen als du sprichst und höre gut zu.

PS: Wenn dich meine Anstiftung zur Freude inspiriert oder dir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat, und du etwas zurückgeben möchtest: lade mich auf einen Kaffee ein über meine virtuelle Kaffeekasse hier. Danke! #freundlicheökonomie

#AnstiftungzurFreude – kannst du abonnieren. Wöchentlich kostenfrei. Freude ist der am stärksten unterschätzte Resilienz Faktor. Freude können wir nie genug haben. Abonniere sie hier!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert