Anstiftung zur Freude #22

Der Stuhl steht noch dort, wo ich ihn hingestellt habe, als ich krank war und so viel fror. Gleich neben der Haustür kommt die Sonne am frühesten an. Da saß ich in den wenigen Momenten, da es nicht windig und nass draußen war, und ließ mich aufwärmen.

Jetzt sitze ich wieder da und bade im warmen Licht, das mich und mein Porridge mit Erdbeeren aus dem kleinen Hochbeet umhüllt. Plötzlich fällt mein Blick auf die große Mohnblüte, die unmittelbar vor meiner Nase ihre Pracht entfaltet hat. Zwei Hummeln brummeln darin herum, später kommt eine Wespe und krabbelt auf rot-lilafarbenem Grund.

Ich denke, das ist ein Logenplatz!

Ich muss nichts tun, als hinschauen und beobachten. Und in unmittelbarer Nähe entfaltet sich das Leben in der allerschönsten Pracht.

Ich glaube, es gibt viele solche Logenplätze. Eigentlich überall dort, wo wir in Ruhe sitzen und in Ruhe schauen können.

Plötzlich fallen mir andere Logenplätze ein, an denen ich saß. Zum Beispiel in der Nähe der St. Pauls Cathedral in London, auf einer kleinen Verkehrsinsel, über der tanzende Engel aufgehängt waren. Oder am Fenster des Zuges, mit dem ich regelmäßig fahre, vor meinen Augen zieht die Landschaft grün vorüber, als wäre sie nur für mich aufgereiht. Oder auf der Couch in meinem Wohnzimmer, während mein Blick übers Bücherregel schweift und sich Seite um Seite, Kapitel um Kapitel, Geschichten entfalten.  

Das ist meine Anstiftung für diese Woche: finde jeden Tag für ein paar Augenblicke deinen Logenplatz. Wo sitzt du und was entfaltet sich vor deinem Blick? Und was für Logenplätze fallen dir noch ein?

Schreib mir, was du gefunden hast! hallo@eva-scheller.de