Vor ein paar Tagen konnte ich nicht schlafen und ging schließlich gegen halb fünf ums Dorf. Pechschwarze Nacht, der Sternenhimmel eher verhalten, ich sah den Gürtel des Orion und den kleinen und großen Wagen. Oder das, was ich dafür hielt. Ich fror, mein veganer Daunenmantel war mit Kaffeeflecken in der Wäsche. Neuestens trage ich ihn mangels Heizung in der Küche und schüttete beim Aufräumen Kaffeesatz darüber.
Erstaunlich laut dröhnten von der nicht ganz so nahen Verbindungsstraße die LKW Motoren. Ein paar Fenster beleuchtet, zwei Bewegungsmelder und eine Weihnachtsdekoration mit Herrnhuter Stern. Hinter einer Hofeinfahrt ein schlafender Hund im Ausmaß eines mythologischen Stiers. Jedenfalls atmete er so laut. Vielleicht war es auch eine Maus, deren Schlafgeräusche die Stille verstärkte.
Die Schwerkraft hielt mich am Boden, während die Erde sich durchs All drehte und im Kosmos alles seine Ordnung hatte. Die Nachbarn hüteten ihre Kinder und ihre Tiere, tagsüber gingen sie ihren Beschäftigungen nach, harkten Laub, putzen den Ofen und bewegten ihre Fuhrparks elektrischer Geräte. Kreissäge. Rasenmäher. Bohrer.
Je länger ich ging und je kälter die Fingerspitzen in meinen Handschuhen wurden, desto heiterer fühlte ich mich. Schließlich war es auch wurscht, ob ich schlafen konnte oder meine Ordnung immer mehr im Chaos verkam. Ich konnte meine Füße bewegen und in Geschichten herumspazieren und an die Stelle der Erzählung über eine schlaflose Nacht meine Wanderung durchs Dunkle setzen.
Edward Espe Brown war als sehr junger Mensch Chefkoch im Zen Mountain Center in Tassajara. Sein Brotbackbuch wurde ein Welterfolg und stand in den 70iger Jahren in fast jeder deutschen WG mit ökologisch-politischem Anspruch. Viele Jahre später veröffentlichte er „Das Lächeln der Radieschen“. Ein Kochbuch mit autobiographischen Notizen, das nur noch antiquarisch zu haben ist. Darin erzählt er die Geschichte vom perfekten Keks.
Alle anderen liebten seine Kekse. Er nicht. Brown hatte als Kind zwei Arten von Keksen gebacken. Der eine Teig kam aus einer Backmischung und musste nicht einmal ausgerollt werden. Der andere sprang aus seiner Knack-und-Back-Verpackung und war für Brown das Maß aller Dinge. Genau so sollten seine Kekse schmecken. Und genau das bekam er nicht hin.
Schließlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, als ihm klar wurde, dass er die ganze Zeit versucht hatte, Kekse aus der Dose zu backen. Er schreibt:
„Es ist wirklich erstaunlich, wie wir uns eine Meinung darüber bilden, wie Kekse schmecken sollen oder wie ein Leben aussehen soll. Im Vergleich wozu? Keksen aus der Dose? Und oft vergessen wir, wo unsere Vorstellungen herstammen oder dass wir überhaupt solche Vorstellungen haben. Unsere wirklich gelungenen Plätzchen sind einfach nicht „richtig“.“
Mich erinnert das an eine Reise mit meinem Vater und seiner Frau nach Oslo. Der Kronprinz hatte kurz vorher geheiratet, es war ein Jahrhundertsommer und noch im September außergewöhnlich heiß. Wenn wir uns beim Frühstück trafen, sagte die Frau meines Vaters früher oder später: „Mich wundert, dass es nicht regnet. In Norwegen regnet es doch so viel.“ Ich muss heute noch lachen, wenn ich daran denke. Das Hoch, das uns schwitzen ließ, hatte sich aufs Bleiben eingerichtet. Kein Wölkchen am Himmel, das eine Änderung der Lage versprochen hätte. Und jeden Morgen das gleiche Erstaunen, dass Norwegen nicht so war, wie es sein sollte.
Wir haben alle Keks- und Wettervorstellungen eingetrichtert bekommen und tun meist möglichst viel, um die Rezepte, von denen wir nicht einmal wissen, dass wir ihnen folgen, buchstabengetreu nachzukochen. Das sind die Erzählungen, die wir uns selbst übers Leben und wie es sein soll, unentwegt vorbeten.
Welche Geschichten erzählst du dir über dein Leben? Im Großen wie im Kleinen?
Was gehört nach deinen Vorstellungen in dein Leben und was nicht? Warum gehört es dazu oder warum gehört es nicht dazu?
Gefällt dir deine eigene Erzählung über dein Leben? Kommt mehr Freude vor? Oder mehr Schwere und Schwierigkeit?
Für das eigene Glück gibt es nichts wichtigeres, als regelmäßig zu hinterfragen, was wir uns über das Leben im allgemeinen und unser Leben im besonderen erzählen. Damit wir überhaupt merken, welche Rezepte wir nachkochen. Dem schließt sich die Frage an: will ich diese Rezepte weiterhin in meinem Repertoire haben?
Will ich im schönsten Sonnenschein weiterhin der Vorstellung anhängen, dass es eigentlich regnen müsste?
Will ich mit dem schönsten, weichsten, buttrigsten Keks vor der Nase weiterhin nach dem perfekten Keks suchen, nur weil X oder Y oder die Werbung ihn zum Maß aller Dinge erhoben haben?
Brown schreibt, als er endlich begriffen hatte, dass sein vermeintlich perfekter Keks von einem Dosenteig stammte, konnte er seine Kekse zum ersten Mal richtig schmecken. Er fand sie „unvergleichlich, lebendig, gegenwärtig“.
Er fährt fort:
„Momente wie dieser, in denen man erkennt, dass das Leben, so, wie es ist, einfach schön ist, können so verblüffend und gleichzeitig befreiend sein“.
Als ich zu nachtschlafender Zeit mit dem falschen Mantel und zu dünnen Handschuhen unter dem verhaltenen Sternenhimmel um unser Dorf ging, führte jeder Schritt mich näher in die Erkenntnis, dass mein Leben, so, wie es ist, einfach schön ist.
Meine Idee fürs Wochenende: eine Freuden Biographie verfassen, wie es die Psychologin und Psychotherapeutin Verena Kast in ihrem Buch „Was zählt ist das gelebte Leben“ vorschlägt. Welche Freude habe ich in meinem Leben erlebt? Wann ist sie aufgetreten? Konnte ich sie mir bewahren und wenn ja, wie? Mir scheint, das ist das beste Rezept, das wir im Leben nachkochen können. Freudige Zutaten sammeln. Daraus ein ganzes Menü zaubern. Sich hinsetzen und genießen. Wenn du lernen möchtest, wie du Freude in dir aufnimmst und verankerst, mach die Übung „Freude aufnehmen“ Sie stammt aus meinem Auf der Spur der Freude Abenteuerkurs und du kannst sie hier herunterladenfindest du dazu auf meiner Webseite eine Übung.
Vor ein paar Tagen konnte ich nicht schlafen und ging schließlich gegen halb fünf ums Dorf. Pechschwarze Nacht, der Sternenhimmel eher verhalten, ich sah den Gürtel des Orion und den kleinen und großen Wagen. Oder das, was ich dafür hielt. Ich fror, mein veganer Daunenmantel war mit Kaffeeflecken in der Wäsche. Neuestens trage ich ihn mangels Heizung in der Küche und schüttete beim Aufräumen Kaffeesatz darüber.
Erstaunlich laut dröhnten von der nicht ganz so nahen Verbindungsstraße die LKW Motoren. Ein paar Fenster beleuchtet, zwei Bewegungsmelder und eine Weihnachtsdekoration mit Herrnhuter Stern. Hinter einer Hofeinfahrt ein schlafender Hund im Ausmaß eines mythologischen Stiers. Jedenfalls atmete er so laut. Vielleicht war es auch eine Maus, deren Schlafgeräusche die Stille verstärkte.
Die Schwerkraft hielt mich am Boden, während die Erde sich durchs All drehte und im Kosmos alles seine Ordnung hatte. Die Nachbarn hüteten ihre Kinder und ihre Tiere, tagsüber gingen sie ihren Beschäftigungen nach, harkten Laub, putzen den Ofen und bewegten ihre Fuhrparks elektrischer Geräte. Kreissäge. Rasenmäher. Bohrer.
Je länger ich ging und je kälter die Fingerspitzen in meinen Handschuhen wurden, desto heiterer fühlte ich mich. Schließlich war es auch wurscht, ob ich schlafen konnte oder meine Ordnung immer mehr im Chaos verkam. Ich konnte meine Füße bewegen und in Geschichten herumspazieren und an die Stelle der Erzählung über eine schlaflose Nacht meine Wanderung durchs Dunkle setzen.
Edward Espe Brown war als sehr junger Mensch Chefkoch im Zen Mountain Center in Tassajara. Sein Brotbackbuch wurde ein Welterfolg und stand in den 70iger Jahren in fast jeder deutschen WG mit ökologisch-politischem Anspruch. Viele Jahre später veröffentlichte er „Das Lächeln der Radieschen“. Ein Kochbuch mit autobiographischen Notizen, das nur noch antiquarisch zu haben ist. Darin erzählt er die Geschichte vom perfekten Keks.
Alle anderen liebten seine Kekse. Er nicht. Brown hatte als Kind zwei Arten von Keksen gebacken. Der eine Teig kam aus einer Backmischung und musste nicht einmal ausgerollt werden. Der andere sprang aus seiner Knack-und-Back-Verpackung und war für Brown das Maß aller Dinge. Genau so sollten seine Kekse schmecken. Und genau das bekam er nicht hin.
Schließlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, als ihm klar wurde, dass er die ganze Zeit versucht hatte, Kekse aus der Dose zu backen. Er schreibt:
„Es ist wirklich erstaunlich, wie wir uns eine Meinung
darüber bilden, wie Kekse schmecken sollen
oder wie ein Leben aussehen soll.
Im Vergleich wozu? Keksen aus der Dose?
Und oft vergessen wir, wo unsere Vorstellungen herstammen
oder dass wir überhaupt solche Vorstellungen haben.
Unsere wirklich gelungenen Plätzchen
sind einfach nicht „richtig“.“
Mich erinnert das an eine Reise mit meinem Vater und seiner Frau nach Oslo. Der Kronprinz hatte kurz vorher geheiratet, es war ein Jahrhundertsommer und noch im September außergewöhnlich heiß. Wenn wir uns beim Frühstück trafen, sagte die Frau meines Vaters früher oder später: „Mich wundert, dass es nicht regnet. In Norwegen regnet es doch so viel.“ Ich muss heute noch lachen, wenn ich daran denke. Das Hoch, das uns schwitzen ließ, hatte sich aufs Bleiben eingerichtet. Kein Wölkchen am Himmel, das eine Änderung der Lage versprochen hätte. Und jeden Morgen das gleiche Erstaunen, dass Norwegen nicht so war, wie es sein sollte.
Wir haben alle Keks- und Wettervorstellungen eingetrichtert bekommen und tun meist möglichst viel, um die Rezepte, von denen wir nicht einmal wissen, dass wir ihnen folgen, buchstabengetreu nachzukochen. Das sind die Erzählungen, die wir uns selbst übers Leben und wie es sein soll, unentwegt vorbeten.
Welche Geschichten erzählst du dir über dein Leben? Im Großen wie im Kleinen?
Was gehört nach deinen Vorstellungen in dein Leben und was nicht? Warum gehört es dazu oder warum gehört es nicht dazu?
Gefällt dir deine eigene Erzählung über dein Leben? Kommt mehr Freude vor? Oder mehr Schwere und Schwierigkeit?
Für das eigene Glück gibt es nichts wichtigeres, als regelmäßig zu hinterfragen, was wir uns über das Leben im allgemeinen und unser Leben im besonderen erzählen. Damit wir überhaupt merken, welche Rezepte wir nachkochen. Dem schließt sich die Frage an: will ich diese Rezepte weiterhin in meinem Repertoire haben?
Will ich im schönsten Sonnenschein weiterhin der Vorstellung anhängen, dass es eigentlich regnen müsste?
Will ich mit dem schönsten, weichsten, buttrigsten Keks vor der Nase weiterhin nach dem perfekten Keks suchen, nur weil X oder Y oder die Werbung ihn zum Maß aller Dinge erhoben haben?
Brown schreibt, als er endlich begriffen hatte, dass sein vermeintlich perfekter Keks von einem Dosenteig stammte, konnte er seine Kekse zum ersten Mal richtig schmecken. Er fand sie „unvergleichlich, lebendig, gegenwärtig“.
Er fährt fort:
„Momente wie dieser, in denen man erkennt,
dass das Leben, so, wie es ist, einfach schön ist,
können so verblüffend und gleichzeitig befreiend sein“.
Als ich zu nachtschlafender Zeit mit dem falschen Mantel und zu dünnen Handschuhen unter dem verhaltenen Sternenhimmel um unser Dorf ging, führte jeder Schritt mich näher in die Erkenntnis, dass mein Leben, so, wie es ist, einfach schön ist.
Meine Idee fürs Wochenende: eine Freuden Biographie verfassen, wie es die Psychologin und Psychotherapeutin Verena Kast in ihrem Buch „Was zählt ist das gelebte Leben“ vorschlägt. Welche Freude habe ich in meinem Leben erlebt? Wann ist sie aufgetreten? Konnte ich sie mir bewahren und wenn ja, wie? Mir scheint, das ist das beste Rezept, das wir im Leben nachkochen können. Freudige Zutaten sammeln. Daraus ein ganzes Menü zaubern. Sich hinsetzen und genießen. Wenn du lernen möchtest, wie du Freude in dir aufnimmst und verankerst, mach die Übung „Freude aufnehmen“ Sie stammt aus meinem Auf der Spur der Freude Abenteuerkurs und du kannst sie hier herunterladenfindest du dazu auf meiner Webseite eine Übung.
Herzliche Grüße
Eva Scheller