Stille ist etwas Großartiges. Stille ist der Rahmen, in dem die Welt sich entfaltet. Töne und Klänge sind nur deshalb zu hören, weil sie sich abheben vom Nicht-Ton und Nicht-Klang. Wenn alle schreien, kann niemand etwas verstehen. Wenn die Lüfte ständig voller Geräusche wären, wie würden wir dann miteinander kommunizieren?
Der Abenteurer Erling Kagge erzählt in seinem Buch „Stille – Ein Wegweiser“, wie er alleine auf Skier zum Südpol ging. „Je stiller es wurde, desto mehr hörte ich“, schreibt er.
Am Anfang war das Wort, heißt es im Johannes Evangelium. Vor dem Wort muss Stille gewesen sein. Wort und Stille. Zwei Seiten einer Medaille.
Zur Stille gehört Schweigen. Schweigen ist mehr als Nicht-Sprechen, Schweigen hat eine äußere und eine innere Richtung. Im Außen schweigen ist eine Sache. Im Inneren Ruhe herzustellen, eine ganz andere.
Bei einem der Achtsamkeitstage, die ich vor Covid veranstaltete, empörte sich eine Teilnehmerin, dass wir das Essen in der Mittagspause schweigend eingenommen hatten. „Da könnte ich ja auch in den Keller gehen, um zu essen“, sagte sie mit Nachdruck in der Abschlussrunde.
Ich bin heute noch verblüfft. Über die Heftigkeit ihrer Reaktion und über ihr Beispiel. Im Außen herrschte Stille, in ihrem Inneren muss ein Kampf stattgefunden haben, der einen Keller hervorbrachte als schlimmstes Bild für das, was sie erlebte. Dabei hatte in der Ausschreibung gestanden, dass wir den Tag miteinander schweigend verbringen werden.
Kagge schreibt, die größte Herausforderung seiner Unternehmung habe darin bestanden, jeden Morgen bei minus fünfzig Grad aufzustehen; die zweitgrößte darin, mit sich im Reinen zu sein. In der Stille war er gezwungen, die Gedanken weiterzudenken, die ihm im Kopf herumgingen und, schlimmer noch, seinen Gefühlen nachzuhängen.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, mit sich nicht im Reinen zu sein. Mit einer inneren Stimme zu leben, die keine Ruhe gibt. Scheußliche Gefühle in sich herumzutragen. In so einer Verfassung mit Stille konfrontiert zu sein, ist vergleichbar mit dem Sauberkeitstraining von Hundewelpen, die ihre eigenen Ausscheidungen riechen müssen. Der ganze Müll, den du in dir rumträgst, stinkt. Und dir wird das plötzlich in vollem Umfang bewusst, weil du mit der Nase drinhängst.
Vielleicht sind soziale Medien so erfolgreich und tausende von Fernsehsendern weltweit rund um die Uhr damit beschäftigt, Programme auszustrahlen, damit wir eine Selbstvergewisserung haben, ohne mit uns selbst wirklich in Beziehung zu treten?
In einer tiefen Selbstbeziehung blicken wir hinter unser oberflächliches Geplapper, wie wir sind oder nicht sind. Fangen an, die Kellerräume und Turmwinkel zu besichtigen. Finden Spinnweben und alten Dreck. Scheuern uns auf, damit wir uns häuten. Hängen immer wieder im Dunklen fest.
Klingt wahrscheinlich nicht besonders vielversprechend. Ich denke an die alttestamentarische Geschichte von Jona, der vor seinem Auftrag floh. Die Flucht beendete ein Walfisch, in dessen Innerem Jona drei Tage saß. Stille. Dunkelheit. Ich frage mich gerade, kann ich das nächste Mal, wenn ich in Düsterkeit feststecke, mich vielleicht erinnern, dass das dazu gehört?
Der spirituelle Lehrer Robert Holden sagt, Zeiten in Dunkelheit sind Zeiten des Wachstums. Wenn alle Möglichkeiten in die Hölle zu führen scheinen, wird die Bühne neu eingerichtet für das nächste Kapitel des Weges.
Wer wachsen möchte, entkommt dem Unbequemen nicht. Tiefe Selbstbeziehung schließt den Mut zu unbequemen Veränderungen ein. Wir brauchen dafür einen Entschluss. Und wir brauchen einen stillen Raum.
Stille im Außen kann helfen, Stille im Inneren herzustellen. Im Grunde jedoch ist Stille im Inneren unabhängig vom Lärm, der uns vielleicht umgibt. Ja, wir können Dezibel messen. Und uns über Geräuschquellen empören. Das bringt nicht nur nichts, sondern es macht uns abhängig von Umständen, die wir nicht beeinflussen können.
Am Anfang meiner Meditationspraxis habe ich mich aufgeregt, wenn die Nachbarn während meiner Übungszeit staubsaugten oder die Müllabfuhr Krach auf der Straße veranstaltete. Später habe ich begriffen, dass es nicht um einen bestimmten Rahmen geht, sondern um die Freiheit von Bedingungen.
Je mehr ich in meinen inneren Räumen Ordnung schaffe und also ins Reine komme mit mir, desto tiefer wird meine Selbstbeziehung, desto freier werde ich. Je freier ich werde, desto eher kann ich mit der Stille in mir in Verbindung gehen, was wiederum die Selbstbeziehung weiter vertieft. In der Stille gründet alles. In der Stille gründen auch die Worte.
Tatsächlich gibt es mit zunehmender Freiheit immer weniger zu überdecken oder zu erklären oder gar zu verurteilen. Die Qualität der Sprache ändert sich. So wirkt Stille auf die Art und Weise, wie wir die Welt in Worte kleiden.
Wir brauchen den stillen Raum auch, um Freude zu empfinden. Die Freude, die immer da ist.
Unbeabsichtigt führte ich letztens ein kleines Freude Experiment durch, als ich während des Schreibens für ein paar Momente die Augen schloss. Zuerst schrieb ich blind weiter und hörte den Tasten zu. Dann machte ich gar nichts mehr außer Lauschen. Mein Körper saß und atmete. Plötzlich dachte mein Kopf, das Leben ist schön.
Mit dieser Aussage beschrieb mein Kopf das Gefühl, das mich in diesem Augenblick erfüllte und von dem ich annehme, es ist immer da. Auch wenn es zugeschüttet ist mit 23 Dingen, die schwierig sind oder nicht gut laufen oder erledigt werden müssen. spei
Laotse sagte, das Wichtigste an einem Rad sei der Raum zwischen den Speichen. Ein Haus werde erst durch die Fenster bewohnbar. In beiden Fällen lässt das Nichts eine brauchbare Sache entstehen. In dieser Weise macht die Abwesenheit von Worten einen Dialog, ein in Verbindung gehen mit Etwas möglich, das wir oft überhören.
Die Lebenskraft fängt zu sprechen an, wenn sie nicht zugetextet wird von dem, was wir als unsere Lebensumstände angehäuft haben.
Ich möchte allen Menschen eine kleine Dosis Stille empfehlen. Täglich. Ein paar Minuten reichen für den Anfang. Ich fand acht Minuten fast unerträglich und bin heute noch dem Lehrer dankbar, der uns während eines Retreats mit unterschiedlichen Meditationsforme vertraut machte und die Sitzmeditation in kleinen Dosen timte. So begriff ich am eigenen Leib, wie schwierig erste Schritte in die Stille sein können.
Tatsächlich machen wir uns total viel vor. Vor allem, warum etwas nicht geht. Die Ausreden sind unendlich. Ich habe im Laufe meiner Arbeit mit Klient*innen so viele gute Gründe gehört. Wenn wir statt logische Gründe aufzuzählen, weshalb das noch nicht dran ist, wonach wir uns sehnen, einfach anfangen würden, still zu sein. Stille ist der feste Punkt, von dem aus sich die Welt aus den Angeln heben lässt. Höchste Zeit, das zu tun.
Stille ist etwas Großartiges. Stille ist der Rahmen, in dem die Welt sich entfaltet. Töne und Klänge sind nur deshalb zu hören, weil sie sich abheben vom Nicht-Ton und Nicht-Klang. Wenn alle schreien, kann niemand etwas verstehen. Wenn die Lüfte ständig voller Geräusche wären, wie würden wir dann miteinander kommunizieren?
Der Abenteurer Erling Kagge erzählt in seinem Buch „Stille – Ein Wegweiser“, wie er alleine auf Skier zum Südpol ging. „Je stiller es wurde, desto mehr hörte ich“, schreibt er.
Am Anfang war das Wort, heißt es im Johannes Evangelium. Vor dem Wort muss Stille gewesen sein. Wort und Stille. Zwei Seiten einer Medaille.
Zur Stille gehört Schweigen. Schweigen ist mehr als Nicht-Sprechen, Schweigen hat eine äußere und eine innere Richtung. Im Außen schweigen ist eine Sache. Im Inneren Ruhe herzustellen, eine ganz andere.
Bei einem der Achtsamkeitstage, die ich vor Covid veranstaltete, empörte sich eine Teilnehmerin, dass wir das Essen in der Mittagspause schweigend eingenommen hatten. „Da könnte ich ja auch in den Keller gehen, um zu essen“, sagte sie mit Nachdruck in der Abschlussrunde.
Ich bin heute noch verblüfft. Über die Heftigkeit ihrer Reaktion und über ihr Beispiel. Im Außen herrschte Stille, in ihrem Inneren muss ein Kampf stattgefunden haben, der einen Keller hervorbrachte als schlimmstes Bild für das, was sie erlebte. Dabei hatte in der Ausschreibung gestanden, dass wir den Tag miteinander schweigend verbringen werden.
Kagge schreibt, die größte Herausforderung seiner Unternehmung habe darin bestanden, jeden Morgen bei minus fünfzig Grad aufzustehen; die zweitgrößte darin, mit sich im Reinen zu sein. In der Stille war er gezwungen, die Gedanken weiterzudenken, die ihm im Kopf herumgingen und, schlimmer noch, seinen Gefühlen nachzuhängen.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, mit sich nicht im Reinen zu sein. Mit einer inneren Stimme zu leben, die keine Ruhe gibt. Scheußliche Gefühle in sich herumzutragen. In so einer Verfassung mit Stille konfrontiert zu sein, ist vergleichbar mit dem Sauberkeitstraining von Hundewelpen, die ihre eigenen Ausscheidungen riechen müssen. Der ganze Müll, den du in dir rumträgst, stinkt. Und dir wird das plötzlich in vollem Umfang bewusst, weil du mit der Nase drinhängst.
Vielleicht sind soziale Medien so erfolgreich und tausende von Fernsehsendern weltweit rund um die Uhr damit beschäftigt, Programme auszustrahlen, damit wir eine Selbstvergewisserung haben, ohne mit uns selbst wirklich in Beziehung zu treten?
In einer tiefen Selbstbeziehung blicken wir hinter unser oberflächliches Geplapper, wie wir sind oder nicht sind. Fangen an, die Kellerräume und Turmwinkel zu besichtigen. Finden Spinnweben und alten Dreck. Scheuern uns auf, damit wir uns häuten. Hängen immer wieder im Dunklen fest.
Klingt wahrscheinlich nicht besonders vielversprechend. Ich denke an die alttestamentarische Geschichte von Jona, der vor seinem Auftrag floh. Die Flucht beendete ein Walfisch, in dessen Innerem Jona drei Tage saß. Stille. Dunkelheit. Ich frage mich gerade, kann ich das nächste Mal, wenn ich in Düsterkeit feststecke, mich vielleicht erinnern, dass das dazu gehört?
Der spirituelle Lehrer Robert Holden sagt, Zeiten in Dunkelheit sind Zeiten des Wachstums. Wenn alle Möglichkeiten in die Hölle zu führen scheinen, wird die Bühne neu eingerichtet für das nächste Kapitel des Weges.
Wer wachsen möchte, entkommt dem Unbequemen nicht. Tiefe Selbstbeziehung schließt den Mut zu unbequemen Veränderungen ein. Wir brauchen dafür einen Entschluss. Und wir brauchen einen stillen Raum.
Stille im Außen kann helfen, Stille im Inneren herzustellen. Im Grunde jedoch ist Stille im Inneren unabhängig vom Lärm, der uns vielleicht umgibt. Ja, wir können Dezibel messen. Und uns über Geräuschquellen empören. Das bringt nicht nur nichts, sondern es macht uns abhängig von Umständen, die wir nicht beeinflussen können.
Am Anfang meiner Meditationspraxis habe ich mich aufgeregt, wenn die Nachbarn während meiner Übungszeit staubsaugten oder die Müllabfuhr Krach auf der Straße veranstaltete. Später habe ich begriffen, dass es nicht um einen bestimmten Rahmen geht, sondern um die Freiheit von Bedingungen.
Je mehr ich in meinen inneren Räumen Ordnung schaffe und also ins Reine komme mit mir, desto tiefer wird meine Selbstbeziehung, desto freier werde ich. Je freier ich werde, desto eher kann ich mit der Stille in mir in Verbindung gehen, was wiederum die Selbstbeziehung weiter vertieft. In der Stille gründet alles. In der Stille gründen auch die Worte.
Tatsächlich gibt es mit zunehmender Freiheit immer weniger zu überdecken oder zu erklären oder gar zu verurteilen. Die Qualität der Sprache ändert sich. So wirkt Stille auf die Art und Weise, wie wir die Welt in Worte kleiden.
Wir brauchen den stillen Raum auch, um Freude zu empfinden. Die Freude, die immer da ist.
Unbeabsichtigt führte ich letztens ein kleines Freude Experiment durch, als ich während des Schreibens für ein paar Momente die Augen schloss. Zuerst schrieb ich blind weiter und hörte den Tasten zu. Dann machte ich gar nichts mehr außer Lauschen. Mein Körper saß und atmete. Plötzlich dachte mein Kopf, das Leben ist schön.
Mit dieser Aussage beschrieb mein Kopf das Gefühl, das mich in diesem Augenblick erfüllte und von dem ich annehme, es ist immer da. Auch wenn es zugeschüttet ist mit 23 Dingen, die schwierig sind oder nicht gut laufen oder erledigt werden müssen. spei
Laotse sagte, das Wichtigste an einem Rad sei der Raum zwischen den Speichen. Ein Haus werde erst durch die Fenster bewohnbar. In beiden Fällen lässt das Nichts eine brauchbare Sache entstehen. In dieser Weise macht die Abwesenheit von Worten einen Dialog, ein in Verbindung gehen mit Etwas möglich, das wir oft überhören.
Die Lebenskraft fängt zu sprechen an, wenn sie nicht zugetextet wird von dem, was wir als unsere Lebensumstände angehäuft haben.
Ich möchte allen Menschen eine kleine Dosis Stille empfehlen. Täglich. Ein paar Minuten reichen für den Anfang. Ich fand acht Minuten fast unerträglich und bin heute noch dem Lehrer dankbar, der uns während eines Retreats mit unterschiedlichen Meditationsforme vertraut machte und die Sitzmeditation in kleinen Dosen timte. So begriff ich am eigenen Leib, wie schwierig erste Schritte in die Stille sein können.
Tatsächlich machen wir uns total viel vor. Vor allem, warum etwas nicht geht. Die Ausreden sind unendlich. Ich habe im Laufe meiner Arbeit mit Klient*innen so viele gute Gründe gehört. Wenn wir statt logische Gründe aufzuzählen, weshalb das noch nicht dran ist, wonach wir uns sehnen, einfach anfangen würden, still zu sein. Stille ist der feste Punkt, von dem aus sich die Welt aus den Angeln heben lässt. Höchste Zeit, das zu tun.