Der Zug ist wenige Minuten verspätet. Ich stehe am Bahnsteig
und beobachte einen Täuberich, der zwischen den Gleisen seinen Balztanz
aufführt. Er hebt und senkt den Oberkörper, dreht sich trippelnd im Kreis,
gurrt, beginnt das Spiel von vorn und läuft der auserwählten Taube nach, die
vor ihm davonrennt. Sein aufgeplustertes Gefieder schillert am Hals
metallen-violett.
Die Dame neben mir schimpft vor sich hin. Ich gehe ein Stück
zur Seite und beobachte weiterhin das Spiel der Vögel. Die Dame bleibt in
meiner Nähe, wir wollen offenbar im selben Gleisabschnitt einsteigen.
Der Zug fährt ein. Die Dame, nun sehr nah bei mir, ist ungehalten,
weil der Zug nicht so vor ihren Füßen hält, dass sie ohne einen weiteren Schritt
in ihr Abteil einsteigen kann. Sie wird noch ungehaltener, als ein schier
endloser Strom von Menschen und Koffern aus dem Wagen strömt.
Ich sage mir innerlich leise ein paar Mal mein Reisemantra:
„Alles geht immer gut aus für mich“ als Schutzschild gegen die geballte
Wutenergie neben mir.
Unsere Stimmungen schwappen auf andere über. Im besten wie
im schlechtesten Sinn. Dafür zu sorgen, dass die eigene miese Laune nicht die
Umwelt verschmutzt, ist Selbsthygiene und Rücksichtnahme auf andere.
Den Müll im eigenen Container behalten, wenn wir uns immer
wieder daran erinnerten und ein erprobtes Mittel hätten, die belastende Laune
zu entschärfen, wie anders würde dann unser alltägliches Miteinander aussehen?
Ich habe eine ganze Apotheke voller Mittelchen für negative
Stimmungen. Mantren, die ich wiederhole oder kleine Gebete; Bücher, in die ich
einen Blick werfe; meinen Atem, dem ich folgen kann und der mich in einen
ruhigen Raum bringt.
Das ist meine Anstiftung heute: Finde etwas, was mit ziemlicher Sicherheit deine Laune hebt. Übe es, selbst wenn deine Laune
schon gut ist. Stecke es in deine Apotheke für negative Stimmungen. Und was könnte
noch helfen?
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