Die wunderbare Kunst einer Katze

Freitagsbrief vom 20. August 2020

Gerade habe ich vor lauter Vergnügen und Entzücken über mein Leben im allgemeinen und das vor mir liegende Wochenende im besonderen in die Hände geklatscht. Bei dem Geräusch meiner klatschenden Hände schreckt die Katze auf dem Sofa hoch. Richtet sich auf. Schaut (meine Interpretation) irritiert. Einmal um sich kreisen. Ein bisschen Fellpfelge. Sich wieder zusammenrollen. Die Katze nimmt ihren Traum dort auf, wo sie ihn fallen gelassen hat. Ich muss lachen, wie so oft, wenn ich die Lebensäußerungen der Katze beobachte.

Jeder kennt das Geräusch von zwei klatschenden Händen.
Wie aber ist das Geräusch einer klatschenden Hand?

Seit ein paar Jahren lebe ich auf dem Land. In den meisten Haushalten: Tiere. Hühner, Schweine, Ziegen, Pferde. Katzen. Katzen. Katzen. Hunde. Hunde. Hunde. Ein paar Dörfer weiter die Freundin wird regelmäßig vom Kater der Nachbarin besucht. Er bekommt ein Leckerli, lässt sich gerne beschmusen und geht dann wieder heim. So eine Besuchskatze würde mir gefallen.

Auf oder unter meiner Gartenbank sitzt ab und zu eine Katze mit der perfektesten aller Hauskatzenzeichnungen. Sie ist absolut nicht interessiert an einer Besuchsbeziehung und ignoriert meine Annäherungsversuche mit königlicher Missachtung. Warum sich das nach fast zwei Jahren ändert, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist es das Futter, das ich für einen sehr jungen Kater, der etwas heruntergekommen und verhungert aussieht, besorge. Die Königin nimmt mich zur Kenntnis und im Gegensatz zum kleinen Kater vermisst sie mutig das Innere meines Hauses, allerdings erst, nachdem sie sicher gestellt hat, dass die Vase, mit der ich die Tür offenhalte, ihr tatsächlich Platz zum Hinausschlüpfen bietet. Sie kommt rein, beobachtet, wie ich die Vase in die Tür stelle, springt hinaus, springt wieder hinein. Inspiziert das Haus, als wolle sie es kaufen., frisst ein bisschen. Springt hinaus.

So geht das eine Weile.

Ich fahre weg, zum Arbeiten, in die Ferien. Ich denke, die Katze gehört irgendwo hin. Sie ist offensichtlich gewöhnt, mit Menschen zu leben. Ich denke, ich bin ihr Besuchsquartier. Wenn ich das nicht denken würde, könnte ich nicht wegbleiben.

Wenn ich wiederkomme, ist die Katze auch bald wieder da.

Dann kommt der Lock Down. Und ein paar Tage später hinkt die Katze. Ich bringe sie zum Tierarzt, ich weiß nicht, wer mehr darunter leidet, dass ich sie in diese von Freunden ausgeliehene Transportbox stopfe. Der Tierarzt sagt: “Das ist ja eine ganz eine Liebe”. Gechipt ist sie nicht. Er wiegt sie und verschreibt ihr Traumeel in Tablettenform. Ich werde gefragt, wie sie heißt und sage KatzKatz. Der Name wird auf das Rezept geschrieben. Keiner lacht. Ehrlich gesagt, eigentlich heißt sie Königin KatzKatz.

Auf dem Hin- und Rückweg in die Stadt und nach Hause singe ich der Katze etwas vor und erzähle ihr Geschichten. Solange ich Geräusche von mir gebe, jammert sie nicht.

Am nächsten Tag geht sie mittags raus. Und bleibt eine Woche verschwunden. Ich weiß, Katzen führen ein gefährliches Leben und mache mir Sorgen und hoffe, sie ist mit ihrem verstauchten Gelenk da, wo sie eigentlich hingehört. Doch wo gehört sie eigentlich hin?

Gehört sie nicht eigentlich zu mir?

Nach genau einer Woche, ebenfalls um die Mittagszeit, ist die Katze wieder da.

Und hört nicht auf, da zu sein.

Ich lasse eine Katzenklappe montieren. Ich besorge in der Apotheke eine Zeckenzange aus Chirugenstahl. Ich schaffe einen größeren Vorrat Katzenfutter an.

Die Katzenklappe erweist sich als schwierig. Ich erzähle der Königin, dass sie die Klappe meistern muss, um eine freie Raus-Rein-Katze zu sein. Und natürlich möchte ich nicht mehr zwischen 4 und 5 Uhr morgens geweckt werden, um als Türöffnerin zu dienen.

Es dauert. Und als die Königin mich endlich aus der Türöffnerinnen Position entlässt, berichte ich das stolz meinen Freunden. Ein bisschen benehme ich mich wie eine Mutter, deren Kind die ersten Schritte tut.

Und die ganze Zeit versuche ich mit meinem begrenzten menschlichen Möglichkeiten, das Katzenwesen zu verstehen.

Was glaubst du wie erfolgreich ich damit bin?

Ich meine, eine Routine der Katze festgestellt zu haben über ein paar Tage hinweg. Im nächsten Moment verhält sie sich anders. Zuerst geht sie mittags raus. Dann morgens. Zuerst frisst sie alles. Dann ist sie ein Krüschling. Frisst die Sachen, die sie ohne weiteres gefressen hat, gar nicht. Oder nur in der Nacht (wirklich).

Die Katze ist sanft. Sie kratzt weder mich noch das Mobiliar. Und dann faucht sie plötzlich. Das ist das einzige königliche Missfallen, das sie ausdrückt. Da ich nicht verstehe, warum sie mich in diesem Moment anfaucht, bin ich meist beleidigt. Sie ist ebenfalls beleidigt, weil sie nicht versteht, warum ich ihr etwas zumute, was sie als Zumutung empfindet. Eine kleine Zeit pflegen wir eine gewisse Distanz.

Die Katze bringt mich oft zum Lachen. Einfach so. Weil ihre Existenz etwas wunderbares und kostbares ist. Weil sie entschieden hat, bei mir einzuziehen. Weil sie morgens ankommt und auf mir herumsteigt. Weil sie immer wieder ihr Schnurrmaschinchen anwirft. Weil sie mehrstimming schnurren kann.

Die Katze erteilt mir Lektionen in Flexibilität. Ich begreife, wie sehr ich in Konzepten verharre. Wie sehr ich etwas einordnen möchte, mit meinen Erfahrungen, meinen Vorstellungen. Ich denke wieder einmal vermehrt darüber nach, wie ich mit dem umgehe, was mir fremd ist. Welche Normen ich anlege. Wie ich konditioniert und strukturiert bin. In welchen Schachteln ich mich zu Hause fühle.

Ich habe mit mehreren Zen Meistern gelebt
– alle waren Katzen!
Eckhart Tolle.

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Eine Hamburger Freundin findet bei sich im Regal einen schmalen Sonderdruck des Scherz/O.W. Barth Verlags, eingeschlagen in handgeschöpftes Papier, den sie mir schickt. Wegen der Zeichnungen auf dem Titel und im Buch. Die wunderbare Kunst einer Katze und andere Zen Texte. (Buch und Sonderdruck sind vergriffen und nur noch antiquarisch zu finden). So wenig Tinte wurde für die wenigen Striche verwendet, dass von der Katze fast nichts da ist an materiellem Gewicht. Trotzdem ist sie lebendig eingefangen mit ihrem ganzen Katzenwesen.

Im titelgebende Text findet so ewas wie ein Katzen Symposium statt. Mehrere Katzen tragen vor, wie sie die Kunst des Rattenfangens erlernten und auf welche Weise sie sie ausübten. Die Alte Katze belehrt alle, auch den Fechtmeister, in dessen Haus eine Ratte ihr Unwesen getrieben hatte, bis die Alte Katze sie vertrieb. Durch die bloße Präsenz ihres Blicks. Wie nur hat sie das angestellt?

Wie meist bei Zen Texten verstehe ich wenig und erahne viel. Das ist ja gerade der Reiz daran. Jenseits gängiger Konzepte schimmert etwas hindurch.

“Wenn und weil ein Ich da ist, ist auch ein Feind da.
Stellen wir uns nicht als ein Ich hin, so ist auch kein Gegner da. Was wir also so nennen, ist nur ein anderer Name für das, was wir Gegensatz nennen. Insofern die Dinge eine Form wahren, setzen sie auch immer eine Gegenform. Wo immer etwas als Etwas feststeht, hat es aber eine Eigenform. Ist mein Wesen zu keiner Eigenform verfaßt, so ist auch keine Gegenform da. Wo kein Gegensatz ist, gibt es auch nichts, was gegen einen antritt…. Läßt man sich selbst ganz fallen und wird also frei von Grund auf und von allen Dingen, so befindet man sich im Einklang mit der Welt.”

Für mich ist das die Essenz aller Weisheitslehren. Wenn wir uns selbst aus dem Weg räumen, dann gibt es keinen Widerstand, dann ist da nichts, womit wir hadern könnte. Mit aus dem Weg räumen meine ich, mich selbst weniger wichtig nehmen. Wie sehr muss ich wirklich darauf beharren, dass die Dinge, Menschen, Wesen so sind, dass die ganze Welt so ist, wie ich das haben möchte? Kann ich meine Energie da raus nehmen und sie statt dessen auf den Atem lenken? Meine Füße am Boden spüren?

Die Alte Katze bewundert ihrerseits einen Kater, der nichts zu machen scheint als zu schlafen, in dessen ganzen Bezirk es trotzdem keine Ratte gibt. Von der Alten Katze gefragt, wie ihm das gelinge, weiß er keine Antwort. Er hat sich selbst vergessen in seinem Da-Sein. Und mit dem Selbst-Vergessen hört er auf, als Etwas festzustehen. Also ist um ihn nichts, was als Gegenform bestünde.

Kennen du das, dass es manchmal plötzlich leichter geht, wenn du aufhörst zu kämpfen? Dass die Situation sich entspannt, wenn du dich entspannst?

In solchen Momenten, meine ich, hören wir ein bisschen auf, als ein Etwas mit Eigenform zu bestehen. Wir sind mehr im Flow.

Meditieren hilft dabei. Wenn wir uns hinsetzen für ein paar Minuten, dem Atem folgen, können die Gedanken zur Ruhe kommen. Das lässt sich üben. Je mehr die Gedanken zur Ruhe kommen, desto mehr räumen wir uns selbst aus dem Weg. Für 60 Sekunden oder für 180 Sekunden. Oder für 20. Das ist schon ein guter Anfang.

An dieser Stelle möchte ich wieder einmal Eckhard Tolle zitieren, der sagte, 2 bewusste Atemzüge jeden Tag können dein Leben verändern.

Das ist also der immer wiederkehrende Übungsvorschlag. Täglich 2×2 bewusste Atemzüge!

Herzliche Grüße
Eva Scheller

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