Ernte. Dank.

Beim Aufwachen denke ich an meine Großmutter. Später sehe ich durchs Küchenfenster den großen Kürbis, orangefarben, etwas unrund, daneben ein paar perfekt ausgebildete kleine Kürbisse.

Meine Großmutter besuchte die höhere Mädchenschule, sie lernte Klavier und Französisch. Dass sie eine bessere Bildung hatte als viele ihrer Altersgenossinnen, war für sie von Bedeutung. Einmal hat sie den Kaiser gesehen, Hitler verlieh ihr das Mutterkreuz. Ihr Leben begann im 19. und endete im 21. Jahrhundert.

Als sie meinen Großvater, einen jungen Lehrer, heiratete, trat sie in den Dienst ein, in den so viele Frauen über so viele Jahrhunderte hinweg durch das Schließen des Ehebunds eintraten.

Da kam es nicht auf Französischkenntnisse an oder die Fähigkeit, sich selbst zum Liedgesang auf dem Klavier zu begleiten.

Im Winter musste morgens das Wasser in der Waschschüssel aufgehackt werden. Ich erinnere mich an gefrorene Bettdecken im ungeheizten Schlafraum. Das war für mich ein einmaliges Ereignis, für meine Großmutter Alltag.

Schullehrer in der tiefsten Provinz waren nicht auf Rosen gebettet, ein Teil des Gehalts wurde in Brennholz gezahlt, für den Schulraum und die Lehrerwohnung.

Meine Großmutter hat Gartenbau betrieben, eine Marmeladenfaktur und eine Einkocherei, eine Wäscherei, eine Schneiderei, die Kinder wurden irgendwie zwischen den verschiedenen Gewerken untergebracht. Eine Hühnerzucht gab es auch und eine Bäckerei und eine Aneinanderreihung von jungen Mädchen im Dienst, die Hauswirtschaft von meiner Großmutter lernten. Meine Großmutter hatte auch eine ärztliche Abteilung zu unterhalten, hat Heilkräuter gesammelt, alljährlich Arnikatinktur angesetzt und Kamille getrocknet.

Das Haus, in dem sie und mein Großvater am längsten lebten, war nicht unterkellert, es gab jedoch einen kleinen Raum, der unterhalb des Erdgeschosses lag. Dort befand sich Sand in einer Steinwanne, zum Einlagern von Karotten und Kartoffeln. Steigenweise Äpfel wurden im Winter täglich einzeln umgedreht, um diejenigen mit Faulstellen auszusortieren. Da hatte mein Großvater längst Karriere in einer Kreisstadt gemacht und war der Rektor der Knabenschule. Meine Großmutter hat immer noch für die Hühner gesorgt, einen Kartoffelacker im Garten unterhalten, ihren hasserfüllten Kampf gegen Schnecken geführt und regelmäßig das Mistbeet umgegraben. Für diese Arbeiten trug sie abgelegte Männerschuhe, die hinten heruntergetreten waren.

Im Nutzgarten gab es wenige Blumen, sie standen sehr vereinzelt und irgendwie spindelig herum, jedenfalls war dies mein Eindruck als Kind. Die einzige Üppigkeit verströmten zwei prächtige dunkelrote Pfingstrosenpflanzen, die zwergbuschgleich eine hintere, kaum genutzte Gartenpforte flankierten. Diese Pfingstrosen habe ich geliebt, wegen ihrer Pracht. Die Löwenmäulchen habe ich respektiert, nachdem meine Großmutter mir gezeigt hatte, wie ich sie anfassen musste, damit sie ihr Maul aufreißen. Doch wie bei den Rosen hat mich die Kargkeit gestört. Ich habe eine sehr deutliche Erinnerung daran, wie wenig ich mich zu den Blumen hingezogen fühlte. Ich könnte mir vorstellen, meine Großmutter hat mit Schönheit gegeizt. Immer ging es um das Versorgen und Ernähren, jeden Tag, jeden Tag. Fast ihr ganzes sehr langes Leben lang.

Ich liebe Blumen, ich liebe Üppigkeit, dabei bin ich eine nachlässige Gärtnerin. Mein Garten würde meiner Großmutter kaum gefallen. Und die Kürbisse, die haben sich mir geschenkt. Als ich Kompost untergrub in meinem Blumenbeet, waren offensichtlich Kürbissamen darunter. Die Pflanzen wuchsen ohne mein Zutun munter vor sich hin und bahnten sich ihre verschlungenen Wege.

Wenn ich in meinem Garten bin, denke ich oft an meine Großmutter. Mein Garten und meine Großmutter sind verbunden, ja, ich kann Garten gar nicht ohne meine Großmutter denken. Alle Gärten der Welt tragen einen Keim Großmutter in sich. Ernte und Fülle kann ich auch nicht denken ohne meine Großmutter. Tief eingeprägt hat sich mir das Ritual, bevor sie einen Laib Brot anschnitt. Sie hielt den Laib im Arm, mit der flachen Seite nach oben, dann zeichnete sie mit dem Messer drei Kreuze aufs Brot. Dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist.

Kommenden Sonntag wird Erntedank in den Kirchen gefeiert. Ich werde meinen großen Kürbis ernten. Das Geschenk der Erde an mich. Kürbis für Kuchen, Kürbis für Suppe, Kürbis für Brot. Und die Samen kommen wieder in die Kompost Tonne.


Was bedeutet Dankbarkeit für dich?

Hältst du manchmal inne, um die Schönheit eines frühen Herbsttages zu bestaunen?

Empfindest du manchmal Dankbarkeit für das, was aus Fortunas Füllhorn in deine Arme geflossen ist?

Welche Sterne hast du in deiner Schürze aufgefangen?

Wenn du dich umschaust, wo du gerade bist, was siehst du, wofür du dankbar sein könntest?


Warum solltest du Dankbarkeit bedenken?

Dankbarkeit ist eines der heilsamsten Gefühle und somit beste Medizin für graue Tage.

Wenn du Dankbarkeit übst, ist dein autonomes Nervensystem im Entspannungsmodus. Du fühlst dich weniger gestresst und tatsächlich sinkt dein Cortisolspiegel (Cortisol=Stresshormon). Gleichzeitig wird Oxytocin ausgeschüttet, das ist das Bindungshormon, das regelmäßig nur durch Körperkontakt produziert wird. Wenn du Dankbarkeit übst, produziert dein Gehirn Serotonin und Dopamin, das sind Glücks- und Belohnungshormone. Dankbarkeit ist quasi wie geistige Schokolade, allerdings zuckerfrei und länger vorhaltend als die echte.

Ich gehe morgens oft in den Garten und bestaune alles,
was da so wächst und fliegt und kriecht und
sage zu Pflanzen, Käfern, Kieselsteinen:
Danke, dass du da bist.

Wie kannst du Dankbarkeit üben?

Führe z.B. ein Dankbarkeitstagebuch und schreibe jeden Tag mindestens 3 Dinge auf, für die du dankbar bist.

Rede mit nahestehenden Menschen über das, wofür du dankbar bist.

Sage oft Danke.

Schreibe Dankbarkeitskarten-/briefe.

Meditiere mit dem Fokus auf etwas, das dich erfreut/mit Dankbarkeit erfüllt.

Lade die Übung Freude- und Dankbarkeitstagebuch herunter.