Ich als Autorin

Was für eine Schreiberin bin ich?

In meinem Kopf schreibt es fast immer auf der Suche nach dem passenden Wort. Festhalten, was sich aufspannt, außen oder innen. Ich bin eine Schreiberin, die sich öfter verloren hat, zuerst in der Kindheit, das letzte Mal vor vielleicht zehn Jahren, als mein Kopf voller und voller wurde von neuem Lernen und der Terminplan auch.

Ich entdecke mich neu tatsächlich im Alten. Das Netz verliert nichts, ich stolpere über die Spuren meiner Autorinnenschaft, finde Texte, Lobworte und die Erinnerung an Preise.

Jetzt sitze ich morgens öfter in meinem Bettpalast und kritzle frei fließend in ein Heft.

Schwer fällt mir der Übergang von der Idee zum Aufschreiben. Nicht nur notieren; Notizen finden regelmäßig auf ein Blatt Papier; Satzfetzen. Erinnerungsstützen. Sich dran zu machen, mit der Verpflichtung, die das bringt. Eine Sache schreibend anzufangen meint grundsätzlich, sie auch zu Ende zu bringen. (Meine ich grundsätzlich, jedenfalls manchmal).

Ich stelle fest, je mehr ich vorher denke und kaue, und hinauszögere, die ersten Sätze zu schreiben, desto schneller komme ich voran, gerade wenn es darum geht, einem Termin entgegenzuschreiben.

In den letzten Monaten des letzten Jahrs wuchs ich in den #Freitagsbriefe Termin hinein wie in einen Geburtskanal. Eng und ohne Ausweg, ein kleines Entkommen (Pausen in unsinnigen Zwischenräumen) zwischendurch; während die Uhr weiter tickte. Das ist jetzt anders, weil ich mir erlaube einem einzigen Thema über mehrere Wochen zu folgen.

Ich bin eine Autorin, die gerne in der englischen Sprache spazieren geht, der Unmöglichkeit einer Übersetzung nachschmeckt, sich darüber aufregt, zum Beispiel warum „I’m failing spectacularly at it“ sich in der deutschen Ausgabe als „Oder sagen wir, ich versuche es“ wiederfindet.

Verrat an der Sprache ist keine lässliche Sünde. Ich habe tatsächlich Deutsch abgewählt, nachdem meine Schulkarriere aus den Höhen einer Eins auf die Drei stürzte. Einer einzigen Drei erlaubte ich, mir eine Liebe aus dem Sinn zu schlagen.

Ich habe gelernt, Sprache wie ein Rapier, einen Säbel, einen Vorschlaghammer zu führen. Sprache als Kampfmittel vor Gericht. Eleganz, Eloquenz. Sprache als trennendes Element in Beziehungen. Sarkasmus. Zynismus. In den Boden reden. Sprache ist auch Verantwortung für das, was aus dem Mund herauskommt, was auf den Seiten sich ausbreitet.

Sprachmelodie.

Irgendwann in meinen frühen Teenager Jahren las ich „Faust“ in Eigenregie und war entzückt, wie viele Sprichworte ich aufklauben konnte, die ich von meiner Großmutter kannte. Tatsächlich war die „Faust“ Ausgabe von meinem Großvater auf mich gekommen.

Je mehr ich lese, desto unwiderstehlicher wächst der Wunsch, loszuschreiben. Fast das Schönste: Vier, fünf Bücher um mich herum, in denen ich abwechselnd lese. Je nachdem, in welche Sprachlandschaft es mich gerade zieht. Früher oder später mache ich mich ein weiteres Mal auf in meine Sprachlandschaft. Sie wächst wie ein Land, dessen Grenzen mit jedem Wort schrumpfen.

Ich möchte andere gerne mitnehmen in meine Sprachlandschaft. An einem Punkt ist ein Text fertig. Möglicherweise für den Moment. Möglicherweise für mehr oder weniger ewig. Wenn ich Texte von mir wiederfinde und die Lektüre mich erstaunt. Das gehört auch zum Schönsten. Im Leben als Schreiberin gehört eine ganze Menge zum Schönsten.

24.01.23