Verschiedene Wege führen vom Hamburger Hauptbahnhof in meinen Praxisraum. Zum Beispiel kann ich die S-Bahn nehmen und die Schanzenstraße Richtung Schulterblatt laufen. Wenn ich das tue, sehe ich kurz vor dem Überqueren der Stresemann Straße einen Laden, der heißt: „Kauf dich glücklich“. Obwohl das Schild in Spiegelschrift bedruckt ist, lässt es sich ohne weitere Anstrengung lesen.
Wenn meine Gedanken in diesem Moment nicht gerade in einer anderen Mission im Kopf herumsausen, stelle ich mir an dieser Stelle jedes Mal dieselben Fragen: Warum heißt der Laden so? Meinen die das ernst? Ist die Spiegelschrift ein ironischer Kommentar zum Slogan? In etwa gemeint als Aufforderung, in den Spiegel zu schauen, wenn du tatsächlich denkst, Kaufen mache dich glücklich?
Den Laden gibt es seit ein paar Jahren. Ich denke also schon länger über diese Fragen nach. Vielleicht sollte ich einfach mal die Leute fragen, die dort arbeiten.
Ein einziges Mal habe ich den Laden betreten. Tatsächlich war ich wild entschlossen zu einem wunderbar unvernünftigen Kauf, der mich für den Moment beglücken würde. Das Angebot hat mich dann jedoch eher noch unglücklicher gemacht. Ich zog unverrichteter Dinge wieder ab.
Zwischen den Jahren las ich das kleine Buch von Thibaut Meurisse: Dopamine Detox. Meurisse erklärt, dass unsere Gehirne durch ständigen Medienkonsum und Aktionen in den sozialen Medien überstimuliert seien. Die Überstimulierung setze die Reiz-Befriedigungsschwelle höher. Deshalb bräuchten wir immer mehr Nachschub in immer kürzeren Zeitabständen und würden zunehmend abhängig von den Tätigkeiten, die den Dopamin Ausstoß anregen. Meurisse bezeichnet Dopamin als „das Molekül des Mehr“.
Immer mehr zu brauchen, das ist ein Suchtmuster.
Unsere gesellschaftlichen Interaktionen und unsere Freizeitbeschäftigung werden überwiegend von unentwegten Suchbewegungen nach Befriedigung befeuert.
Schneller. Weiter. Höher. Mehr.
Meurisse‘ Rezept gegen das „Kapern“ unserer Dopamin Neurotransmitter, wie er es nennt?
Entzug.
Die Künstlerin Jenny Odell hat mit dem Buch „Nichts tun – Die Kunst, sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen“ ein grandioses Manifest geschrieben, wie wir unsere Zeit, aber vor allem unsere Aufmerksamkeit zurückgewinnen. Unbedingte Leseempfehlung! Sich mit einem Buch in der Hand hinsetzen, ist der erste Schritt zum Widerstand gegen das „Kapern“ und gleichzeitig zum Entzug. Doch erstmal zwei Schritte zurück:
Wie kommt es eigentlich, dass ein Mensch (in diesem Fall: ich) an einem grauen Winternachmittag in den nächst besten Laden stürmt in der Erwartung, als glücklicherer Mensch wieder heraus zu kommen?
Mit anderen Worten: warum richte ich in dem Moment, in dem es in mir auf diffuse Weise knirscht und quietscht, meine Aufmerksamkeit auf Konsum als Hilfsmittel?
Antwort: Konsum gehört zu den Tätigkeiten, die kurzfristige Dopaminbefriedigung verschaffen. Betonung auf: kurzfristig.
Was hätte ich stattdessen tun können?
Ich hätte mich auf ein Meditationskissen setzen und meinen Atem beobachten können. Klingt ziemlich unsexy. Wäre aber eine nachhaltig hilfreiche Alternative. Das gleiche gilt für Singen, Tanzen, Yoga, in den Körper summen, Spazierengehen.
Bei diesen Tätigkeiten sind wir uns selbst genug. Sie triggern kein Dopamin.
Warum sind wir uns so oft nicht selbst genug?
Weil uns das niemand beibringt im Kindergarten oder in der Schule. Erfüllende Selbstgenügsamkeit ist kein Unterrichtsfach.
Wenn wir uns die Konzepte anschauen, die wir stattdessen lernen, geht es in der Regel um etwas, das nicht in uns liegt, das wir aber trotzdem (angeblich) brauchen, um zufrieden, glücklich, ganz, erfüllt etc. zu sein. Das sind Mangelkonzepte. Sie stellen ins Zentrum das, was uns fehlt.
Z.B. Erfolg. Er wird als etwas definiert, das wir zunächst nicht haben, aber unbedingt haben sollten. Er liegt außerhalb von uns in gewisser Ferne. Es gilt, ihn zu erreichen. Und wenn wir den einen Erfolg haben, dann gibt es immer eine nächste Stufe und noch eine. Immer müssen wir uns anstrengen, immer geht es ums Gewinnen und darum, mehr zu bekommen als die anderen. Es geht darum, sich zu unterscheiden. Oder warum sonst kampieren die Leute tagelang vor einem Laden, um das erste Smartphone der neuen Serie oder eine Konzertkarte zu kaufen?
Wie wäre unsere Welt beschaffen, wenn wir alle aus der Fülle der Gewissheit leben, dass wir selbst genug sind? Dass es alles im Überfluss gibt, weil wir gar nichts mehr haben müssen?
Wenn wir nicht mehr zum Wollen verführbar sind, was hätte das für einen Einfluss auf unser Wohlbefinden?
In welchen Bereichen deines Lebens lebst du Fülle?
In welchen Bereichen deines Lebens regiert eher der Mangel?
Welche Möglichkeiten gäbe es, den Mangel in Fülle oder Erfüllendes umzuwandeln?
Mein Füllerezept: sich der Freude zuwenden. Freude IST Fülle.
Außerdem: Wir haben es selbst in der Hand, ob und in welcher Weise wir uns freuen. Unabhängig von den äußeren Umständen. Insofern ist Freude selbstgenügsam.
Am Aschermittwoch beginnt die nächste Reise auf der Spur der Freude. Während der siebenwöchigen Fastenzeit beschäftigen wir uns mit etwas, das uns nährt. Wir trainieren in unterschiedlicher Weise die Freudemuskeln. Finden neue Blicke auf die Welt. Erhöhren unsere Resilienz. Verändern im besten Fall für immer die Brillen, durch die wir aufs Leben schauen. Wenn du dabei sein möchtest, hier findest du nähere Informationen.
Verschiedene Wege führen vom Hamburger Hauptbahnhof in meinen Praxisraum. Zum Beispiel kann ich die S-Bahn nehmen und die Schanzenstraße Richtung Schulterblatt laufen. Wenn ich das tue, sehe ich kurz vor dem Überqueren der Stresemann Straße einen Laden, der heißt: „Kauf dich glücklich“. Obwohl das Schild in Spiegelschrift bedruckt ist, lässt es sich ohne weitere Anstrengung lesen.
Wenn meine Gedanken in diesem Moment nicht gerade in einer anderen Mission im Kopf herumsausen, stelle ich mir an dieser Stelle jedes Mal dieselben Fragen: Warum heißt der Laden so? Meinen die das ernst? Ist die Spiegelschrift ein ironischer Kommentar zum Slogan? In etwa gemeint als Aufforderung, in den Spiegel zu schauen, wenn du tatsächlich denkst, Kaufen mache dich glücklich?
Den Laden gibt es seit ein paar Jahren. Ich denke also schon länger über diese Fragen nach. Vielleicht sollte ich einfach mal die Leute fragen, die dort arbeiten.
Ein einziges Mal habe ich den Laden betreten. Tatsächlich war ich wild entschlossen zu einem wunderbar unvernünftigen Kauf, der mich für den Moment beglücken würde. Das Angebot hat mich dann jedoch eher noch unglücklicher gemacht. Ich zog unverrichteter Dinge wieder ab.
Zwischen den Jahren las ich das kleine Buch von Thibaut Meurisse: Dopamine Detox. Meurisse erklärt, dass unsere Gehirne durch ständigen Medienkonsum und Aktionen in den sozialen Medien überstimuliert seien. Die Überstimulierung setze die Reiz-Befriedigungsschwelle höher. Deshalb bräuchten wir immer mehr Nachschub in immer kürzeren Zeitabständen und würden zunehmend abhängig von den Tätigkeiten, die den Dopamin Ausstoß anregen. Meurisse bezeichnet Dopamin als „das Molekül des Mehr“.
Immer mehr zu brauchen, das ist ein Suchtmuster.
Unsere gesellschaftlichen Interaktionen und unsere Freizeitbeschäftigung werden überwiegend von unentwegten Suchbewegungen nach Befriedigung befeuert.
Schneller. Weiter. Höher. Mehr.
Meurisse‘ Rezept gegen das „Kapern“ unserer Dopamin Neurotransmitter, wie er es nennt?
Entzug.
Die Künstlerin Jenny Odell hat mit dem Buch „Nichts tun – Die Kunst, sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen“ ein grandioses Manifest geschrieben, wie wir unsere Zeit, aber vor allem unsere Aufmerksamkeit zurückgewinnen. Unbedingte Leseempfehlung! Sich mit einem Buch in der Hand hinsetzen, ist der erste Schritt zum Widerstand gegen das „Kapern“ und gleichzeitig zum Entzug. Doch erstmal zwei Schritte zurück:
Wie kommt es eigentlich, dass ein Mensch (in diesem Fall: ich) an einem grauen Winternachmittag in den nächst besten Laden stürmt in der Erwartung, als glücklicherer Mensch wieder heraus zu kommen?
Mit anderen Worten: warum richte ich in dem Moment, in dem es in mir auf diffuse Weise knirscht und quietscht, meine Aufmerksamkeit auf Konsum als Hilfsmittel?
Antwort: Konsum gehört zu den Tätigkeiten, die kurzfristige Dopaminbefriedigung verschaffen. Betonung auf: kurzfristig.
Was hätte ich stattdessen tun können?
Ich hätte mich auf ein Meditationskissen setzen und meinen Atem beobachten können. Klingt ziemlich unsexy. Wäre aber eine nachhaltig hilfreiche Alternative. Das gleiche gilt für Singen, Tanzen, Yoga, in den Körper summen, Spazierengehen.
Bei diesen Tätigkeiten sind wir uns selbst genug. Sie triggern kein Dopamin.
Warum sind wir uns so oft nicht selbst genug?
Weil uns das niemand beibringt im Kindergarten oder in der Schule. Erfüllende Selbstgenügsamkeit ist kein Unterrichtsfach.
Wenn wir uns die Konzepte anschauen, die wir stattdessen lernen, geht es in der Regel um etwas, das nicht in uns liegt, das wir aber trotzdem (angeblich) brauchen, um zufrieden, glücklich, ganz, erfüllt etc. zu sein. Das sind Mangelkonzepte. Sie stellen ins Zentrum das, was uns fehlt.
Z.B. Erfolg. Er wird als etwas definiert, das wir zunächst nicht haben, aber unbedingt haben sollten. Er liegt außerhalb von uns in gewisser Ferne. Es gilt, ihn zu erreichen. Und wenn wir den einen Erfolg haben, dann gibt es immer eine nächste Stufe und noch eine. Immer müssen wir uns anstrengen, immer geht es ums Gewinnen und darum, mehr zu bekommen als die anderen. Es geht darum, sich zu unterscheiden. Oder warum sonst kampieren die Leute tagelang vor einem Laden, um das erste Smartphone der neuen Serie oder eine Konzertkarte zu kaufen?
Wie wäre unsere Welt beschaffen, wenn wir alle aus der Fülle der Gewissheit leben, dass wir selbst genug sind? Dass es alles im Überfluss gibt, weil wir gar nichts mehr haben müssen?
Wenn wir nicht mehr zum Wollen verführbar sind, was hätte das für einen Einfluss auf unser Wohlbefinden?
In welchen Bereichen deines Lebens lebst du Fülle?
In welchen Bereichen deines Lebens regiert eher der Mangel?
Welche Möglichkeiten gäbe es, den Mangel in Fülle oder Erfüllendes umzuwandeln?
Mein Füllerezept: sich der Freude zuwenden. Freude IST Fülle.
Außerdem: Wir haben es selbst in der Hand, ob und in welcher Weise wir uns freuen. Unabhängig von den äußeren Umständen. Insofern ist Freude selbstgenügsam.
Am Aschermittwoch beginnt die nächste Reise auf der Spur der Freude. Während der siebenwöchigen Fastenzeit beschäftigen wir uns mit etwas, das uns nährt. Wir trainieren in unterschiedlicher Weise die Freudemuskeln. Finden neue Blicke auf die Welt. Erhöhren unsere Resilienz. Verändern im besten Fall für immer die Brillen, durch die wir aufs Leben schauen. Wenn du dabei sein möchtest, hier findest du nähere Informationen.
Herzliche Grüße
Eva Scheller