Mein schönstes Geschenk

Ich sitze in der #Blognacht bei Anna Koschinski und muss lachen, als sie den Impuls des Abends nennt: „Mein schönstes Geschenk“.

Das Thema erinnert mich an die 5. Klasse, als wir einen Aufsatz schreiben sollten. “Mein schönster Ferienausflug“. Ich glaube, das war der allererste Aufsatz, den ich im Gymnasium schrieb. Meine Ferien waren regelmäßig eher weniger schön. Ich hätte mehr zu bieten gehabt in der Kategorie mein furchtbarstes Ferienerlebnis. Mir fiel nur die Geschichte vom Pferd ein, auf dem ich saß, und das sich keinen Schritt vor oder zurück bewegte. „Hüh, Olga! Hüh.“ Etwas daran ist mir heute noch peinlich.

Die Frage nach dem schönsten Geschenk bringt mich als nächstes unmittelbar auf die Spur meiner Juristinnenlaufbahn. Geschenke sind nicht selten zweischneidig. Das ging schon im Paradies los. Eva und Adam hatten fast alles, was sie wollten, mit einer Ausnahme. Ihr Geschenk des perfekten Aufenthaltsortes war mit einem unangenehmen Haken versehen.

Ein weiteres Geschenk mit einem Haufen Unheil an Bord wurde sprichwörtlich als Danaergeschenk. Die Griechen (= Daner) ließen in Troja ein Pferd zurück, die Trojaner fielen darauf herein; und schon war ihr Reich untergegangen. „Hüte dich vor Griechen, die Geschenke bringen“.

Die Griechen wiederum mussten sich mit Pandora herumplagen, der „Allbeschenkten“,  die als antike Androidin mit einem wunderschönen Gefäß ausgestattet sämtliche Übel auf die Welt bringt, als sie dies Gefäß öffnet.

Ich fühle mich zu Hause in diesem Reigen ziemlich furchtbarer Geschenke, denn ich habe als Kind und Jugendliche im familiären Kontext eine ganze Reihe von Geschenken mit Haken, desaströsem Ausgang oder einem hässlichen Antlitz unter der Oberfläche erhalten. Wahrscheinlich ist deshalb mein Verhältnis zum Beschenktwerden bis heute etwas belastet.

Vor diesem Hintergrund – jetzt komme ich endlich zurück auf meine Laufbahn als Juristin – fiel es mir sehr leicht, die juristischen Sachverhalte zu lernen, in denen mit Geschenken etwas schief lief.

Da ist zum einen der Widerruf der Schenkung wegen Undanks. Das, würde ich sagen, entspricht dem Sachverhalt Gott als Schenkender und Adam und Eva als Schenkungsempfänger. Sie müssen ja wegen eines Apfels alles wieder hergeben. Gott fand, sie hatten sich nicht als dankbar genug erwiesen, weil sie ihre eigenen Regeln ausprobieren wollten.

Meine Lieblingskonstellation im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist die sogenannte „aufgedrängte Bereicherung“. Mir wurden ständig irgendwelche Dinge zugemutet, die ich nicht wollte. Wie in § 851 BGB entsprach die objektive Wertsteigerung durch die Geschenke nicht meinem subjektiven Interesse. Das hätten auch die Trojaner so gesehen, hätte man sie noch fragen können.

Kommt alles Übel in der Welt von blöden Geschenken, siehe Pandora?

Nein, natürlich nicht. Geschenke können etwas Wunderbares sein. Ich glaube, die schönsten Geschenke habe ich mir selber gemacht. Dass ich mich getraut habe, etwas zu tun, was andere für unsinnig, überflüssig oder gefährlich hielten, zum Beispiel.

Ein Geschenk, dass ich mir nie gewünscht noch freiwillig ausgesucht hätte, aber unbedingt als das außergewöhnlichstes Geschenk meines Lebens nennen muss, weil dieses Geschenk sich ohne mein Zutun in den Kopf gesetzt hatte, zu mir kommen zu wollen, ist die Katze, die mich adoptiert hat. Drei Jahre später rätsle ich immer noch, was ihr so gefallen hat, dass sie mich als ihren Menschen aussuchte.

Da sind wir unmittelbar bei der Liebe angelangt. Juristisch gesehen geht dabei mehr schief als gut. Wer aber will sich schon um so eine Statistik kümmern. Jede Form von Vertrauen, Zuneigung, Wertschätzung, Freude über mein Dasein kommt in den Sack mit „schönsten Geschenken“. Ich stelle mir vor, das ist am Ende der Stoff, aus dem die Flügel wachsen, die uns in den Himmel tragen.

Comments (10)

  1. Liebe Eva,

    genial, wie du schreibst: „juristisch gesehen geht in der Liebe mehr schief als gut.“ Ist ja klar, denn wenn es gut ist, müssen sich die Juristen nicht damit auseinander setzen. 😉

    • Liebe Edith, danke fürs Lesen und kommentieren. Da musste ich gleich lachen über deinen Hinweis. Ich hätte auch schreiben können „statistisch gesehen“. Ich dachte nämlich an die hohen Scheidungsraten 😂!

  2. Hi Eva, was ein schöner Text! Er hat mir Lachen geschenkt.
    Die Sache mit den Geschenken erlebte ich auch schon schwierig, fühlte ich mich doch danach verpflichtet – wozu auch immer. Und dann sind ja auch noch die, die man einfach nur furchtbar findet. Ich erinnere mich, dass mein Großvater meiner Mutter mal so ein „Malen-Nach-Zahlen-Bild“ überreichte – ein großes noch dazu.

    Es verbrachte viele Tage seines Daseins im Schrank hinter den Kleidern, wurde nur aufgehangen, wenn er zu Besuch kam. War das nun eine „aufgedrängte Wandschmuck-Bereicherung“?

    „das ist am Ende der Stoff, aus dem die Flügel wachsen, die uns in den Himmel tragen.“ Diesen Satz nehme ich besonders gern mit in den Tag.

    Hab ein gutes Wochenende, Ramona

    • Liebe Ramona,

      das freut mich sehr, dass du bei meinem Text lachen konntest. Deine Geschichte mit Malen nach Zahlen ist komisch, aber auch tragisch finde ich. Menschen glauben ja oft, dass etwas, was sie viel Zeit gekostet hat (manchmal auch Geld), von den Beschenkten wertgeschätzt werden müsste. Ich stelle mir vor, das wirkliche Geschenk ist dann nicht das Ergebnis, sondern die Mühe und die Zeit.
      Hab einen schönen Sonntagabend, herzliche Grüße Eva

  3. Wie gut, dass Du bei Annas Blognacht warst, liebe Eva. So ein schöner „Geschenketext“. Danke dafür und die Ausflüge in die Welt des Rechts.
    Mir ging es in meiner Schulzeit ähnlich wie Dir. Da es jedes Jahr dasselbe Aufsatzthema nach den großen Ferien war „dein schönsten Ferienerlebnis/-ausflug“ habe ich mir in der unterrichtsfreien Zeit schon eine Geschichte ausgedacht; denn schön war sehr selten etwas!
    Muss doch auch mal wieder bei Annas Blognacht vorbeischauen, auch wenn meine Schreibzeit alles andere als abends um 20:30 Uhr ist.

    • Liebe Margaretha, ich freue mich, dass dir der Geschenketext gefällt und vielen Dank für deine Überlegungen zum wenig Schönsein der Kindheit. Die Erinnerung daran lässt mich immer besonders wertschätzen, wie gut es mir gelungen ist, mich von den früheren Belastungen zu befreien. Was für ein schönes Leben ich führe!

      Ich kann nur empfehlen, dass du wieder mal bei Annas Blognacht vorbei schaust. Ich bin wild entschlossen, dass auch Freitag in einer Woche zu tun. Ich arbeite immer noch an der Änderung von Gewohnheiten. Deshalb sitze ich in der Blognacht. Zweimal habe ich es schon geschafft und bald sage ich nicht mehr, dass ich abends nicht schreiben kann :-)!

  4. wenn ich dich so lese, fange ich an zu glauben, Juristin kann ganz schön lustig sein 🙂

    • Hihi, liebe Eva, auf jeden FAll war es immer sehr abwechslungsreich und interessant. Und es hat mir auch viel Spaß gemacht.

  5. Liebe Eva, na ich hoffe, du konntest noch wegkommen von dem Gefühl, du sollst einen Schulaufsatz schreiben. Interessant, welche Gedanken sich da zusammenfügen – und wieder mal in einer Zeit, die dich noch zeitig ins Bett gehen lässt ^^

    Ja, Geschenke sind nicht immer toll, aber die tollen Geschenke, die bleiben als kleine Geschichten im Kopf und im Herzen.

    Danke für deinen klugen Text und den Ausflug in deine Juristinnenlaufbahn!

    Liebe Grüße
    Anna

    • Liebe Anna, vielen Dank, es hat mir sehr gut gefallen in der Blognacht und ich war am Ende stolz darauf, in so kurzer Zeit von einem Anfang zu einem Ende gekommen zu sein. Mit Augenzwinkern. Ich fange an, Gefallen am Abend Format zu finden. Vor allem an der kurzen Zeit, also eine runde Stunde, die ich ins Visier nehme. Habe nicht gedacht, dass ich das hinkriegen könnte. Vermutlich liegt es daran, dass ich es leicht nehme und dem Impuls erlaube, die Windungen meiner Gedanken ins Laufen zu bringen. Bin schon neugierig auf die Texte der anderen und dein schönstes Geschenk.
      Herzliche SAmstagsgrüße
      Eva

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